Wien (energate) - Die Bundesregierung bekräftigt erneut ihre Haltung gegen die Atomenergie. Mit einer neuen Studie will das Klimaschutzministerium nun auch die Nutzung von Atomkraft auf EU-Ebene verhindern. Atomkraft sei weder nachhaltig noch werde sie für ein umweltfreundliches Energiesystem benötigt, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Vorstellung der Studie zur "EU-Taxonomie und Atomkraft". Ein erfolgreicher Klimaschutz könne daher nur ohne Energie aus nuklearen Quellen gelingen.
Anhand der EU-Taxonomie Verordnung wurden in der Forschungsarbeit, durchgeführt von der Wirtschaftsuniversität Wien, zentrale Argumente gegen die Atomkraft herausgearbeitet. So leiste die Kernenergie keinen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, erhöhe das allgemeine Sicherheitsrisiko und erfülle vorgegebene soziale Kriterien nicht. Die Studienergebnisse wurden von der Ministerin und ihrem luxemburgischen Amtskollegen in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weitergeleitet, so Gewessler. Damit wolle Österreich seine klare Haltung gegen die Atomkraft zum Ausdruck bringen und aufflammenden Diskussionen zum Beitrag der Atomkraft im Bereich des Klimaschutzes entgegenwirken.
Hoher CO2-Austoß über gesamten Lebenszyklus
In der Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union wurde ein gemeinsames Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten festgelegt. Zwar führe die Kernenergie im Vergleich zu fossilen Brennstoffen zu geringeren Treibhausgasemissionen, jedoch müsse diskutiert werden, ob die Technologie in einem künftigen und nachhaltigen Energiemix Berücksichtigung finden solle, so die Studienautorin Sigrid Stagl. Denn es gebe bessere Alternativen, die deutlich geringere Risiken in sich trügen. Über den gesamten Lebenszyklus sei ein Atomkraftwerk für einen höheren CO2-Ausstoss verantwortlich als erneuerbare Energieträger. Einzige Ausnahme bilde die Bioenergie.
Gegen die Atomkraft spreche zudem die Gefahr von nuklearen Unfällen und der hohe Wasserverbrauch der Technologie. Auch führe eine hochdosierte radioaktive Strahlung zu negativen Folgen für die menschliche Gesundheit und die Technologie erzeuge erhebliche Mengen an gefährlichen Abfallstoffen, die beim Uranabbau und auch am Ende eines Kraftwerk-Lebenszyklus entstünden und gelagert werden müssten.
Wirtschaftlichkeit der Kernenergie nicht mehr gegeben
Insgesamt sei damit die Atomkraft sehr kostenintensiv und ihre Wirtschaftlichkeit gegenüber erneuerbaren Energieträgern nicht mehr gegeben, so Stagl. In der Vollkostenrechnung sei die Atomkraft in einem Betrachtungszeitraum von zehn Jahren um bis zu 80 Prozent teurer als Photovoltaik-Module und um bis zu 30 Prozent kostenintensiver als Windturbinen. Auch seien die sozialen Standards in der Produktion, wie bei den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Bergwerken und die Menschenrechte der lokalen Bevölkerung kritisch zu betrachten. Aufgrund all dieser Faktoren sei die Kernenergie nicht als Übergangs- oder Brückentechnologie anzusehen, zitiert Stagl die Studienergebnisse.
Förderung der Atomkraft durch die Hintertür
Die Umweltschutzorganisation Global 2000 befürchtet, dass es auf Druck einiger pro-atomarer EU-Mitgliedstaaten zu einer Förderung von Atomkraft im Rahmen der Taxonomie-Verordnung kommen könnte. So soll das atomfreundliche Joint Research Center der Europäischen Kommission internen EU-Komitees einen Bericht vorlegen, der ein positives Bild der Atomenergie zeichnen soll, so die Organisation in einer Aussendung. Global 2000 kritisiert, dass dieser Bericht nicht veröffentlicht werden soll und lehnt Übereinkünfte ohne Begutachtung ab. /af