Berlin (energate) - Das Bundeskabinett hat den Entwurf für das sogenannte Schnellladegesetz beschlossen. Es soll die rechtliche Grundlage für ein Ausschreibungsverfahren des Verkehrsministeriums zum Aufbau eines öffentlichen Schnellladenetzes liefern. Bis zum Jahr 2023 sollen 1.000 Ladepunkte mit einer Leistung von mindestens 150 kW entstehen. Das Netz soll den Bedarf für die elektrische Mittel- und Langstreckenmobilität an Fernstraßen sowie wichtigen Standorten im urbanen Raum abdecken.
"Die nächste Schnellladesäule muss in wenigen Minuten erreichbar sein", sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Nur mit einer flächendeckenden und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur würden mehr Menschen auf klimafreundliche E-Autos umsteigen. Für den Aufbau der Schnellladeinfrastruktur werden voraussichtlich Kosten von bis zu 1,9 Milliarden Euro entstehen. Der Bund will sich anteilig beteiligen, wenn erforderlich. Die Ausschreibung der 1.000 Standorte soll im Sommer 2021 starten. Im Entwurf heißt es, der Aufbau von Ladeinfrastruktur müsse langfristig eine Aufgabe der Wirtschaft sein. In der derzeitigen frühen Marktphase würden allerdings zu wenige gewinnbringende Geschäftsmodelle für den Aufbau und Betrieb eines flächendeckenden Schnellladenetzwerks existieren.
Energiewirtschaft fürchtet um Geschäftsmodelle
"Das Schnellladegesetz kann eine Chance für den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur sein, es darf den bestehenden Wettbewerb und die Bestandsinfrastruktur jedoch nicht gefährden", sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Für Unternehmen, die bereits investiert hätten und Ladepunkte betrieben, müsse sichergestellt werden, dass ihre bestehenden Geschäftsmodelle auch weiterhin im Markt bestehen können. Zuletzt hatte beispielsweise der Energiekonzern EnBW scharfe Kritik an dem Gesetzesvorhaben geübt: Das Vorgehen der Bundesregierung greife "massiv den Markt und den Wettbewerb an", erklärte das Unternehmen (
energate berichtete). Grund sei unter anderem, dass die Beihilfen an eine Preisobergrenze für den Ladestrom gekoppelt seien. Privat errichteten Ladestandorte würden so im direkten Vergleich unwirtschaftlich.
"Scheuers Vorschlag eine Art Blankoscheck"
Zufriedener zeigt sich der Verband der Automobilindustrie (VDA): "Ein flächendeckendes, schnell erreichbares und kundenorientiertes Schnellladenetz ist der Schlüssel, damit Kunden auch weiter auf die Elektromobilität setzen", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Das Schnellladegesetz sei eine wichtige Grundlage, damit die Infrastruktur schnell ausgebaut werde. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir kritisierte an dieser Stelle die deutschen Autohersteller: Sie hätten es bisher schlicht selbst nicht geschafft, ein hochwertiges Schnellladenetz in die Fläche zu bringen. Es sei daher grundsätzlich richtig, wenn der Bund nun endlich eine aktive Rolle einnehme. "Scheuers Vorschlag ist aber eine Art Blankoscheck und lässt bisher komplett offen, was er bei seiner Ausschreibung konkret plant", kritisierte der Grünen-Politiker.
Aktuell haben weniger als zwei Prozent aller Ladepunkte eine Leistung von mehr als 100 kW. Gleichzeitig stieg dank staatlicher Prämien zuletzt die Zahl der neuzugelassenen Elektroautos stark. Das Schnellladegesetz soll noch im Frühjahr Bundestag und Bundesrat passieren. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte bereits angekündigt, sich über den Bundesrat in das laufende Gesetzgebungsverfahren einbringen zu wollen (
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