Pullach (energate) - Geothermie könnte eine wichtige Rolle bei der Wärmewende und Dekarbonisierung der Fernwärmenetze spielen. Bisweilen fristet die Technologie allerdings noch ein Nischendasein. Zum Durchbruch könnten ihr bessere Förderbedingungen verhelfen.
Ein Gastkommentar von Helmut Mangold, Geschäftsführer Innovative Energie Pullach GmbH
Sportliche Duelle sind großartig - wer erinnerte sich nicht an Muhammad Ali gegen Joe Frazier, Roger Federer gegen Rafael Nadal oder Mario Götzes 113. Minute am 13. Juli 2014 im Maracana in Rio? Auch in der Energiewende sind Duelle an der Tagesordnung: fossil gegen regenerativ, CO2-Bepreisung gegen CO2-Einsparungs-Belohnung, Marktpreis gegen subventionierten Preis. Was diese Duelle von denen im Sport unterscheidet, ist, dass sich die Aktanten der Energiewirtschaft ihre Spielregeln selbst machen. Ist man höflich, nennt man das Interessensdurchsetzung. Ist man ehrlich, liegt man mit Wirklichkeitsbeugung genau richtig. Eine besonders gut gelingende Wirklichkeitsbeugung zum eigenen Nutzen bekommt seit Jahr und Tag das Erdgas hin: So wird es als Brückentechnologie bezeichnet, als sauberste aller fossilen Energien, als klimaneutral - und als KWK-Wärme gibt’s noch den ökonomischen Ritterschlag dazu.
Wie sind denn die Fakten?
Erdgas ist ein fossiler Energieträger, der verbrannt wird und dabei CO2 satt emittiert. Förderung und Transport von Erdgas gehören zu den klimaschädlichsten Aufsuchungsmethoden überhaupt, Stichwort Methanschlupf. Im globalen Vergleich ist Deutschland zweitgrößter Erdgasimporteur nach China, die Kosten für den Erdgasimport lagen in Deutschland 2019 bei 27,06 Mrd. Euro. Und: Die Wertschöpfung in Deutschland durch die Nutzung dieses zugekauften fossilen Brennstoffs ist - vorsichtig gesagt - überschaubar. Doch trotz all dieser Tatsachen ist das Erdgas-Image glänzend: Milliarden gibt’s aus dem "EU-Fonds für einen gerechten Übergang", Milliarden für LNG-Terminals, Milliarden für das "Gesetz zum Schutz der Stromerzeuger aus Kraft-Wärme-Kopplung" (KWKG), und das Kohleausstiegsgesetz ist in Wirklichkeit ein "Erdgasimport-Beschleunigungsgesetz". Respekt der Erdgas-Lobby, ihr macht einen guten Job!
Geothermie ist immer da
Doch jetzt zum Gegenspieler des Erdgases in der Wärmewende - zu dem wichtigsten Bodenschatz Deutschlands, der Erdwärme. Geothermie ist völlig unabhängig von Jahres- und Tageszeit, von Wetter und Klima und daher grundlastfähig. Sie ist die schnellste und sicherste Möglichkeit, um Fernwärmenetze zu dekarbonisieren; sie senkt sofort die CO2-, Stickoxid- und Feinstaub-Emissionen und verbessert spürbar die Luftqualität. Als heimische Energie ersetzt Geothermie teure Erdöl-, Erdgas- und Steinkohle-Importe und schafft Wertschöpfung in Deutschland. Und: Geothermie kann auch den zunehmenden Kältebedarf in Ballungsräumen abdecken und sogar elektrische Regelenergie regional bereitstellen. Sie zeigt bereits seit 1984 in Mecklenburg-Vorpommern, seit zwanzig Jahren in der Metropolregion München und genauso lang im Oberrheingraben, was sie kann.
Es geht nicht um Fakten, es geht um Deutungshoheit
Würden wir im Sport sein, hieße es jetzt: "Erdgas und Geothermie, auf in den Ring, in die Arena, auf den Platz! Zeigt, was ihr könnt. Der Bessere möge gewinnen." Doch wir sind nicht im Sport, wir sind da, wo es um Milliarden geht und um Deutungshoheit. Deshalb fühlt sich Erdgas im Schafspelz pudelwohl, und deshalb wird Geothermie als Nische, unwirtschaftlich, Fündigkeitsrisiko und Erdbebengefahr geframed. Deshalb wird das Erdgas gepampert und die Geothermie benachteiligt, deshalb bekommt das Erdgas Milliarden über Milliarden für Kraftwerke, Gasnetze, Flüssigerdgas-Terminals und Zuschüsse im laufenden Betrieb, und die Geothermie bekommt hier mal ein Milliönchen und da wieder eins. Schiefe Ebene statt Level-playing-field. Das ist so, als habe Joe Frazier mit nur einem Handschuh geboxt, Rafael Nadal mit einer gerissenen Saite gespielt oder Mario Götze beim Annehmen des Balls mit der Brust einen Bleigurt getragen.
Wenn die Geothermie ein Level-playing-field vorfindet, mit gleicher EEG-Befreiung, gleichen Zuschüssen und gleichen Abgaben wie Erdgas, ist die Geothermie ein absolut potentes Werkzeug der Energiewende. Denn sie ist langfristig die leistungsfähigste und kostengünstigste Option für große Fernwärmenetze, wenn man denen das von Verbrauchern und Staat subventionierte Erdgas wegnimmt. Eine Wärmebereitstellung mit Geothermie wäre heute schon günstiger als eine mit Erdgas ohne KWK-Bonus. Es braucht also auf politischer Ebene klaren Blick, Weitsicht und Mut. Wir brauchen ein Wärme-EEG, das faire Duelle ermöglicht, hic et nunc. Denn der Klimawandel wartet nicht - und die Geothermie ist da.