Berlin (energate) - Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft könnte die heutigen Probleme beim Netzausbau noch verschärfen. Davor warnte Tim Meyerjürgens, COO des Übertragungsnetzbetreibers Tennet, bei einer Diskussionsrunde im Rahmen der Online-Konferenz "Energie Cross Medial" des Forums für Zukunftsenergien. "Wenn jetzt jeder hingeht und hier und da Elektrolyse-Anlagen aufstellt, bekommen wir einen noch höheren Netzausbaubedarf als ohnehin schon. Und das, wo heute schon kaum noch Trassenkorridore zu finden sind", so Meyerjürgens. Damit die Anlagen zur Umwandlung von Strom in Wasserstoff an netzdienlichen Standorten entstehen, werde eine Systementwicklungsplanung benötigt, die oberhalb der bestehenden Netzentwicklungspläne für Strom und Gas angesiedelt ist und eine Optimierung des Gesamtsystems im Blick hält.
Achim Zerres, Abteilungsleiter Energieregulierung der Bundesnetzagentur und Moderator der Diskussionsrunde, ließ viel Sympathie für diesen Ansatz durchblicken. Er wird auch von der Deutschen Energieagentur verfolgt (energate berichtete). Möglicherweise bräuchten Elektrolyseure Lokalitätsanreize, damit sie an der richtigen Stelle gebaut werden, so Zerres. Mehrere Fernleitungs- und Übertragungsnetzbetreiber hatten mit den Projekten "Element Eins" und "Hybridge" gleich selbst den Aufbau von Großelektrolyseuren vorangetrieben, sind mit ihren Investitionsanträgen aber kürzlich bei der Bundesnetzagentur gescheitert (energate berichtete). Steag-Geschäftsführer Joachim Rumstadt begrüßte die Entwicklung. Es sei besser, bedarfsgerechte Lösungen über den Markt zu realisieren. Ohnehin herrsche die Tendenz vor, die Eingriffsrechte der Netzbetreiber immer mehr zu erweitern, kritisierte er.
"So schnell wie möglich grünes Gas transportieren"
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Thomas Gößmann, Geschäftsführer des Fernleitungsnetzbetreibers Thyssengas, verteidigte das Engagement seines Unternehmens beim Projekt "Element Eins", an dem auch Tennet beteiligt ist. Die Netzbetreiber hätten sich verpflichtet, den Boden für die großindustrielle Entwicklung der Wasserstofftechnologie zu bereiten. Plan sei es, die Anlagen zu bauen und dann zu verkaufen. Das bekräftigte auch Tim Meyerjürgens: "Sobald der Markt in dieser Größenordnung in die Elektrolyse investiert, ist das für uns der richtige Weg. Wir wollen hier kein neues Geschäftsfeld aufbauen." Das Interesse der Netzbetreiber liege einzig in einer netzdienlichen Fahrweise der Anlage.
Für den Thyssengas-Geschäftsführer geht die Entwicklung beim Thema Wasserstoff ganz eindeutig zu langsam. "Unser Ziel ist es, möglichst schnell, möglichst viel grünes Gas zu transportieren", betonte er. Für die Branche sei das eine Überlebensfrage, so Gößmann, der auch Vorstandsvorsitzender des FNB Gas ist. Derzeit explodierten die Anfragen, die bei Gasnetzbetreibern zu Wasserstoffprojekten eingehen. In einem konkreten Fall habe sein Unternehmen die Kosten für die Umwidmung einer bestehenden Erdgasleitung auf Wasserstoff mit rund 7 Mio. Euro veranschlagt. 20 Mio. Euro würde dagegen der Neubau einer Wasserstoffleitung kosten, rechnete Gößmann vor. Deshalb sei es wirtschaftlicher, die bestehenden Gasnetze zu nutzen. Allerdings sei die Erdgasnachfrage aktuell auch nicht so, dass Leitungen ohne Weiteres frei werden, räumte er auf Nachfrage von Achim Zerres ein. Im Gegenteil, die Nachfrage gehe derzeit sogar nach oben, weil zum Beispiel Industrieprozesse von Kohle auf Gas umgestellt werden. Opportunitäten bestünden aber bei der L-/H-Gasumstellung und es gebe auch Doppelleitungen im System, wo eine Umwidmung auf Wasserstoff einfach zu realisieren sei.
Tenor zum NEP Gas 2020 ist verschickt
Für ihn laute die zentrale Frage: "Wann fangen wir an", so Gößmann weiter. Der Thyssengas-Geschäftsführer verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass der NEP Gas 2020 immer noch nicht genehmigt sei. Hierzu kündigte Zerres an, dass es bald Neues geben werde. Die Bundesnetzagentur habe den Tenor des Änderungsverlangens an die FNBs zur Konsultation verschickt. Dieser sei in der Frage der Ausgliederung von Gasleitungen auch "erfreulich" im Sinne der Netzbetreiber ausgefallen, deutete er an. /tc