Berlin (energate) - Die E-Mobilität befindet sich enorm im Wachstum. In Sachen Klimaziele ist der Aufwärtstrend von Stromern und Hybriden jedoch noch lange kein Grund aufzuatmen, meint Verkehrsforscher Andreas Knie im Interview mit energate. Der Verkehrssektor gilt als Sorgenkind beim Klimaschutz und ein alleiniger Umstieg auf alternative Antriebe reiche nicht aus: "Wenn wir die Klimaziele ernst nehmen, müssen wir bis 2030 die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent drücken", sagte Knie. Bisher bleibe aber selbst bei optimistischer Betrachtung neuer Technologien und regenerativer Energien eine Lücke von 30 bis 40 Prozent. "Diese Lücke müssen wir über Verhalten schließen", so der Experte.
Um die CO2-Werte zu senken, fördert die Bundesregierung die E-Mobilität massiv (energate berichtete). Batteriebetriebene Fahrzeuge machten 2020 rund ein Viertel aller Neuzulassungen aus, wie Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes zeigen (energate berichtete). Doch dem Mobilitätsexperten des Wissenschaftszentrums Berlin zufolge braucht es auch eine Reduzierung des Verkehrs. Hier sei die Politik gefragt, den Umstieg auf Bus und Bahn attraktiver zu machen, so Knie. Das bedeute unter anderem: Ein Parkverbot für private Autos im öffentlichen Raum - zumindest in Städten. Das mache dann auch öffentliche Verkehrsmittel und Sharing-Dienste wieder interessant, ist Knie überzeugt.
Letztere könnten insbesondere auf dem Land einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten. "Im ländlichen Raum bleibt das Auto wichtig, um Lücken bis zum öffentlichen Verkehr zu schließen", sagte Knie. "Deshalb müssen wir verstärkt auf die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen setzen, um damit die Anzahl gefahrener Kilometer zu reduzieren." Denkbar seien hier in Zukunft auch autonome Flotten, die sich auf Knopfdruck bestellen lassen.
Knie: Verkehrsangebote technologisch bündeln
Ein weiterer Schritt Richtung klimafreundlichem Verkehr sieht der Experte in der Digitalisierung - vor allem, um verschiedene Mobilitätsangebote besser zu bündeln. "Bisher müssen sich Nutzer die Angebote über unzählige Apps selbst zusammenstellen", bemängelte Knie. Stattdessen brauche es Möglichkeiten, den Nutzer digital durch das ganze Netz zu leiten - ähnlich wie bei einem Handyvertrag. Auch beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sieht Knie noch deutlich Luft nach oben, ebenso beim Bau öffentlicher Ladeinfrastruktur für E-Autos. Die Förderung von Hybriden, wie derzeit von der Bundesregierung vorgesehen, lehnt Andreas Knie jedoch ab. Diese seien meistens als Verbrenner unterwegs, dementsprechend hoch sei der CO2-Ausstoß. In Sachen Stadtplanung brauche es ebenfalls ein Umdenken: "Derzeit sieht sie noch vor, dass Wohnen und Arbeiten möglichst weit auseinandergehalten werden", erläuterte Knie. Stattdessen plädiert er für ein Recht auf Homeoffice.
Auch eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie legt nahe: "Allein ein sehr hoher Marktanteil an Elektroautos genügt nicht, um die mittelfristigen deutschen Klimaschutzziele zu erreichen." Die E-Mobilität sei jedoch ein Baustein zur Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor. Der Aufschwung der batteriebetriebenen Fahrzeuge käme in Anbetracht der Klimaziele allerdings zu spät. Hier seien weitere Maßnahmen seitens der Bundesregierung nötig. "Eine Vorgabe für die Anzahl der Elektroautos und eine deutlich ausgebaute Ladeinfrastruktur wirkt zwar stimulierend, kann das Problem alleine aber nicht lösen. Daher müssen die Zielvorgaben noch ambitionierter, das Laden insgesamt erleichtert und der Verkehr verlagert und vermieden werden", betonte Frederic Rudolph vom Wuppertal Institut. /nl
Das gesamte Interview mit Verkehrsforscher Andreas Knie finden Sie heute im Add-on Neue Märkte.