Brüssel (energate) - Das EU-Parlament befürwortet eine CO2-Abgabe für bestimmte Importwaren. Darauf einigte sich das Plenum des EU-Parlaments in einem Entschließungsantrag. Gelten soll dies ab dem Jahr 2023. Betroffen sind zunächst die Energiewirtschaft und energieintensive Industriezweige wie Zement, Stahl, Aluminium, Ölraffinerien, Papier, Glas, Chemikalien und Düngemittel, die Teil des EU-Emissionshandelssystems sind. Die EU-Kommission wird im Juni einen Gesetzesvorschlag für den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) vorlegen.
Die größte Fraktion im Parlament, die konservative EVP, stimmte der Resolution letztendlich zu, weil mit der Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems die kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten nicht automatisch abgeschafft wird. Der zuständige französische Berichterstatter, Yannick Jadot (Grüne), hatte auf einer Aussprache vor der Abstimmung betont, dass es lediglich um das CBAM und nicht um eine entsprechende Änderung der EU-Emissionshandelsrichtlinie gehe. Ursprünglich hatte Jadot in seinem Bericht gefordert, mit dem Mechanismus auch die kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten abzuschaffen (
energate berichtete). Als Argument führte er einen Bericht des Europäischen Rechnungshofs (EuRH) vom September 2020 an, in dem dieser bemängelt hatte, dass zu viele CO2-Zertifikate der energieverbrauchenden Industrie, aber auch der Stromindustrie gratis zugeteilt würden. Dies sei aus Sicht der Rechnungsprüfer angesichts eines 2030-Klimaziels von 55 Prozent weniger CO2 zu viel.
EU-Kommission will EuRH-Empfehlungen folgen
Die EU-Kommission will trotz des geplanten CO2-Grenzausgleichsmechanismus an der kostenlosen Zuteilung von CO2-Zertifikaten festhalten, diese aber, wie vom EuRH empfohlen, zielgerichteter handhaben. Das sagte Mette Quinn von der Klimaabteilung der EU-Kommission (GD Klima) im Umweltausschuss des EU-Parlamentes. "Wir nehmen die Empfehlung des Rechnungshofes an und werden sie bei der Überarbeitung der Emissionshandelsrichtlinie im Juni berücksichtigen", so Quinn. Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus, an dem die Zollabteilung der EU-Kommission gerade arbeite, betreffe sechs am meisten exponierte Wirtschaftsbereiche, verriet sie. Da wo es Ausgleichsmaßnahmen an der Grenze gebe, könne es keine kostenlosen Zertifikate mehr geben, da dies nicht WTO-konform sei. Die EU-Kommission untersuche jedoch, ob das übergangsweise möglich sei, so Quinn.
Eine schrittweise Abschaffung ist aber nicht vor 2022 möglich. Die Kommissionsvetreterin verwies auf die bereits laufende, 4. Handelsperiode für Zertifikate (2021-2030). Das EU-ETS ist ein Handelssystem mit festen Obergrenzen ("cap and trade"). In der 4. Handelsperiode wird die Gesamtzahl der zur Versteigerung und zur Zuteilung verfügbaren Zertifikate jährlich um 2,2 Prozent gekappt, damit in den ETS-Sektoren der CO2-Ausstoß bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich zu 2005, dem Beginn des ETS, gesenkt wird. Bei einer Erhöhung des 2030-Klimaoberziels von derzeit 40 auf 55 Prozent im Vergleich zu 1990 müsste also noch mehr gekappt werden.
50 Industriebranchen mit einem Anteil von 94 Prozent an den CO2-Emissionen des gesamten Industriesektors stehen derzeit auf der "Carbon-Leakage-Liste" und bekommen die CO2-Zertifikate für die 4. Handelsperiode gratis zugeteilt. Der EuRH empfiehlt, die Branchen in Kategorien mit hohem, mittlerem und geringem Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen einzuteilen. Die EU-Kommission will dieser Empfehlung Folge leisten. Wie viel künftig weiterhin kostenlos zugeteilt werden kann, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie bei einem Klimaziel von 55 Prozent weniger CO2 bei gleichzeitigem Grenzausgleichsmechanismus zu garantieren, soll eine Folgenabschätzung ergeben.
Industrie will lange Testphase
Der europäische Industrieverband Business Europe fordert eine lange Testphase für den CO2-Grenzausgleichsmechanismus, für den die EU-Kommission gerade mehrere Optionen evaluiert. Äußerungen des EU-Wirtschaftskommissars Paolo Gentiloni war zu entnehmen, dass der CBAM wohl nicht die Form eines Zolls, der wie eine Verbrauchsteuer wirkt, annehmen werde, sondern die Spiegelung des EU-Emissionshandelssystems auf Einfuhren emissionsintensiver Grundstoffprodukte. Das würde für Importeure bedeuten, EU-CO2-Zertifikate kaufen zu müssen. /rl