Salzgitter (energate) - In der Stahlproduktion fallen große Mengen CO2 an. Der Hersteller Salzgitter startet nun die industrielle Produktion von grünem Wasserstoff. Dieser soll die Stahlherstellung langfristig klimaneutral machen. Kurzfristig steht aber Erdgas im Vordergrund.
Zusammen mit den Partnern Avacon und Linde hat der Konzern am 11. März die Inbetriebnahme des Projekts "Windwasserstoff Salzgitter - WindH2" gefeiert. Auf dem Gelände des Hüttenwerks in Salzgitter erzeugen künftig sieben Windräder grünen Strom, der in zwei PEM-Elektrolyseuren von Siemens in Wasserstoff umgewandelt wird, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Langfristig will das Unternehmen seine Stahlproduktion komplett auf Wasserstoff umstellen. Zunächst soll allerdings Erdgas für eine Reduktion der CO2-Emissionen sorgen. Ein Prozent der deutschlandweiten CO2-Emissionen entsteht im Hüttenwerk Salzgitter.
"WindH2" ist ein zentraler Baustein des Technologieprojekts Salcos - kurz für "Salzgitter Low CO2 Steelmaking". Ziel ist es, die Stahlproduktion, die heute noch mit Kohle im Hochofen erfolgt, auf eine Direktreduktion mit Wasserstoff umzustellen. Die drei bislang betriebenen Hochöfen müssen dafür schrittweise durch eine Kombination von Direktreduktionsanlagen und Elektrolichtbogenöfen ersetzt werden. Am Ende könnten auf diesem Weg die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 um etwa 95 Prozent verringert werden. Dies sei die ökologisch sinnvollste und auch wirtschaftlich effizienteste Route zur CO2-Vermeidung in Europa, betonte Jörg Fuhrmann, scheidender Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG, bei der Inbetriebnahme.
Neue Skyline für Salzgitter
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Sieben Windenergieanlagen prägen seit Herbst vergangenen Jahres die Skyline Salzgitters. Die 170 Meter hohen Anlagen kommen zusammen auf eine Leistung von 30 MW. Der Aufbau, den die Eon-Tochter Avacon übernommen hat, sei im unterbrechungsfrei produzierenden Hüttenbetrieb eine anspruchsvolle Aufgabe gewesen, betonte Fuhrmann. Über 200 Auflagen der Genehmigungsbehörden mussten dabei beachtet werden. Der auf dem Werksgelände erzeugte Windstrom sorgt dann in zwei PEM-Elektrolyseuren mit einer Einzelleistung von je 1,25 MW für die Produktion von 450 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde. Schon heute wird im Hüttenbetrieb Wasserstoff für Glühprozesse und in den Feuerverzinkungsanlagen benötigt. Diesen soll der grüne Wasserstoff künftig verdrängen. Aber auch in der Stahlproduktion soll er schon im kommenden Jahr zum Einsatz kommen, kündigte der Salzgitter-Chef an. 2022 soll die erste Direktreduktionsanlage in Betrieb gehen. Jetzt gelte es erstmal Erfahrungen mit der Vor-Ort-Produktion von Windstrom und Wasserstoff zu sammeln und diese in die Abläufe und Prozesse des Hüttenwerks zu integrieren.
Feicht: Förderung ja, aber keine Dauer-Subventionen
Die Kosten für das "WindH2"-Projekt liegen bei rund 50 Mio. Euro. Durch das Bundeswirtschaftsministerium wurde der Bau mit 1,1 Mio. Euro gefördert. Wirtschaftsstaatssekretär Andreas Feicht betonte bei der Inbetriebnahme, dass Subventionen kein Dauerzustand sein können. Die Bundesregierung habe in der laufenden Legislatur beim Thema Wasserstoff viel auf den Weg gebracht, auch über Förderprogramme. Es brauche aber auch die Zahlungsbereitschaft der weiterverarbeitenden Industrien und am Ende auch der Kunden. Dem stimmte auch Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) zu: "Wir brauchen Investitionen und Capex-Förderung für den Anfang, aber wir brauchen auch einen Markt, der bereit ist für das Produkt zu zahlen." Er sei aber zuversichtlich, dass es so kommen werde. "Es kann ja nicht sein, dass eine Gesellschaft bereits ist, beim Auto für die Metallic-Lackierung 600 Euro mehr zu bezahlen, aber wir uns die Frage stellen, ob sie bereit ist, für den grünen Stahl 200 Euro mehr zu bezahlen."
Kurzfristperspektive Erdgas
Die Salzgitter AG ist beim Thema Wasserstoff auch an anderer Stelle engagiert. So beteiligt sich das Unternehmen etwa am Projekt "Get H2" zum Aufbau einer Wasserstoffleitung zwischen den Industrie- und Raffineriestandorten Lingen und Gelsenkirchen (energate berichtete). Am Standort Wilhelmshaven prüft das Salzgitter zusammen mit Uniper und Rhenus den Aufbau einer Eisenerz-Direktreduktionsanlage mit vorgeschalteter Wasserstoff-Elektrolyse (energate berichtete). Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sollen in wenigen Wochen vorliegen, kündigte Fuhrmann an.
Der Stahlproduzent rechnet aber nicht damit, dass es bis 2030 genügend grünen Wasserstoff geben wird, um die CO2-Reduktionsziele in Deutschland allein darüber zu erreichen. "Die 5 GW Elektrolyse, die sich die Bundesregierung zu installieren für 2030 vorgenommen hat, die hieven uns nicht über die 55 Prozent", so Fuhrmann. "Wir werden ganz massiv auf Erdgas setzen müssen. Und dass nicht nur für 12 Monate oder 3 Jahre, sondern für über 20 Jahre", betonte Fuhrmann. Auch im eigenen Betrieb setzt Salzgitter zunächst auf Erdgas. Das könne in den gleichen Anlagen genutzt werden, die bereits für die Wasserstoffdirektreduktion aufgebaut werden, erläuterte er. Als Zielwert strebt der Konzern durch den Wechsel von Kohle auf Erdgas eine CO2-Minderung von 30 Prozent bis 2030 an. /tc