Arnhem (energate) - Der niederländisch-deutsche Übertragungsnetzbetreiber Tennet blickt auf ein Rekordjahr zurück und will seine Investitionen in den Netzausbau deutlich verstärken. Bereits 2020, das Tennet-CEO Manon van Beek angesichts der Coronakrise als "extraordinär" bezeichnete, lagen die Investitionen bei 3,4 Mrd. Euro - ein Rekord. Um den Herausforderungen der Energiewende weiter gerecht zu werden, sollen diese Investitionen in den kommenden Jahren deutlich steigen, und zwar auf 5 bis 6 Mrd. Euro jährlich, wie der scheidende Tennet-CFO Otto Jager sagte. Damit würde Tennet zum größten Infrastrukturinvestor Europas aufsteigen.
Eine besondere deutschlandspezifische Herausforderung sei der Kohleausstieg. Diese sei mit der Situation vor zehn Jahren zu vergleichen, als Deutschland den Atomausstieg beschlossen hatte, erinnerte COO Tim Meyerjürgens. Trotzdem sei auch das beherrschbar. Fakt ist allerdings auch, dass die Bundesnetzagentur derzeit Anträge von Amprion und Tennet prüft, die drei Steinkohlekraftwerke Heyden, Walsum 9 und Westfalen E in Nordrhein-Westfalen als systemrelevant einzustufen und in die Netzreserve zu überführen (
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Großes Potenzial im Offshore-Segment
Im Fokus der Aktivitäten des Übertragungsnetzbetreibers im Jahr 2020 standen vor allem Offshore-Anbindungsanschlüsse. So erfolgte Anfang des Jahres der Anschluss von Borwin 3 - der insgesamt zwölfte Offshore-Anschluss von Tennet in Deutschland. Das hohe Windkrafterzeugungspotenzial in der Nordsee mit einer geschätzten Leistung von 300.000 MW bis 2050 stelle das Stromnetz vor Herausforderungen. Dafür arbeiten Tennet und der britische Netzbetreiber National Grid unter anderem an der Entwicklung eines Mehrzweck-Interkonnektors, um bis zu 4.000 MW Kapazität von britischen und niederländischen Offshore-Windparks gleichzeitig für die Stromnetze der beiden Länder zur Verfügung zu stellen. In einem weiteren Projekt arbeitet Tennet zusammen mit der deutschen, niederländischen und dänischen Regierung an einem gemeinsamen Energieknotenpunkt in der Nordsee, an den diese drei Länder angebunden werden sollen (
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42 Projekte in Arbeit
Auch an Land investierte Tennet in zahlreiche Verstärkungsmaßnahmen des Übertragungsnetzes. Insgesamt befinden sich 42 Netzausbauprojekte in Planungs-, Bau- oder Genehmigungsphase, führte das Unternehmen aus. In Deutschland hat Tennet mit Nordlink eine wichtige Verbindung im Norden in Betrieb genommen, die den Transport von erneuerbarer Energie nach Dänemark ermöglicht (
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Als Reaktion auf die steigende Nachfrage nach flexiblen Kapazitäten hat Tennet in Kooperation mit weiteren europäischen Betreibern die europäische Crowd-Balancing-Plattform namens Equigy gegründet. Diese blockchainbasierte Plattform gewährt den Netzbetreibern Zugang zu flexiblen Kapazitäten kleinerer elektrischer Anlagen, wie Elektrofahrzeuge, Solaranlagen oder Wärmepumpen (
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