Graz (energate) - Die Netzbetreiber in Österreich sind die eigentlichen "Ermöglicher der Energiewende". Das betonte Martin Graf, Finanzvorstand der Energie Steiermark, im Interview mit energate. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) bezeichnete er im Hinblick auf die Versorgungssicherheit als "Enttäuschung". Bei diesem großen Gesetzespaket habe sich die Politik "sehr stark auf den Ausbau der Erneuerbaren konzentriert", lasse aber bei der Integration der neuen Kapazitäten in die Netze viele Fragen offen. Dabei seien die rund 130 Netzbetreiber in Österreich alle regional ganz unterschiedlich vom Ausbau der Erneuerbaren betroffen, so Graf mit Verweis auf die Situation in der Steiermark.
Bei der Photovoltaik etwa gebe es in der Oststeiermark aktuell Netzanfragen für Anlagen mit 600 MW - das sei in etwa so viel wie die Höchstlast in der gesamten Steiermark an einem sonnigen Sommertag. Während dessen sei im EAG allein bei der Photovoltaik ein Zubau von 11 Mrd. kWh geplant. "Wir müssen also bis 2030 jedes Jahr so viel PV zubauen, wie heute in ganz Österreich installiert ist. Das ist eine Herausforderung, für die Projektbetreiber, aber vor allem für Netzbetreiber", so Graf. Nötig seien neue Rahmenbedingungen für den Netzausbau und nicht "more of the same".
"Das EAG ist ambitioniert"
Das EAG habe sehr ambitionierte und wichtige Ziele formuliert und jetzt komme es darauf an, dass die Novelle zügig in Kraft trete, weil diese Ziele sonst nicht erreichbar seien, so Graf weiter. Dazu brauche es die Einbindung sowohl der Opposition als auch der Interessenvertretungen der Wirtschaft, der Industrie und der Arbeiterkammer. "Ich meine, dass die Ziele des EAG derzeit noch erreichbar sind", so der Manager, der vor der Position bei der Energie Steiermark als Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control tätig war.
Die im Dezember beschlossene Neuregelung der Netzreserve sei dagegen "eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur Situation davor." Im Zusammenhang mit dem neuen, gemeinsam mit dem Zivilschutzverband entwickelten Leitfaden zum Thema Blackout sagte Graf: "Die beste Blackout-Prävention sind aus meiner Sicht schwarzstartfähige Anlagen." Nur sie könnten ohne externe Frequenzvorgabe die Spannung im Netz wieder hochfahren und nach einem typischen Kaskadeneffekt bei einem Blackout den retrograden Kaskadeneffekt einleiten. Dies gelte es beim Thema Blackout in Zukunft viel stärker zu diskutieren.
Saisonale Speicherbarkeit langfristig ein Thema
Die saisonale Speicherbarkeit von Energie bleibe noch lange Zeit ein großes Thema, so Graf weiter. Hier werde es in Zukunft "einen bunten Blumenstrauß an Speichern ganz unterschiedlicher Größe geben", wobei gerade in Österreich nicht vergessen werden dürfe, dass "mit der RAG Austria der immerhin viertgrößte Speicherbetreiber Europas in Österreich seinen Sitz hat." Die Infrastrukturen der Gaswirtschaft "stehen in Zukunft nicht nur für Erdgas, sondern auch für Wasserstoff zur Verfügung, und deshalb darf man das Potenzial der Gasspeicher nicht unterschätzen. Das muss in der Sektorkopplung viel stärker berücksichtigt werden", so Graf.
Zum Einsatz neuer Technologien verwies Graf auf ein laufendes Projekt der Energie Steiermark in Heimschuh im Süden des Bundeslandes, wo Endkunden mit ihren PV-Anlagen an einen Speicher angebunden sind und die Abrechnung über eine Blockchain funktioniert. So könne jeder Kunde nach Bedarf Strom einspeisen und wieder entnehmen, während die Datenkette eine flexible und trotzdem genaue Abrechnung ermögliche. /pm
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