Köln (energate) - Laut einer Studie gehen europäische Staaten den Markthochlauf von Wasserstoff sehr unterschiedlich an. So unterscheiden sich die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen innerhalb Europas teils deutlich. Dies ist das Ergebnis eines Ländervergleichs des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (Ewi) gemeinsam mit dem Oxford Institute for Energy Studies. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit in Ländern wie Deutschland oder Italien hoch, dass sie auch langfristig Wasserstoff importieren müssen. Staaten wie das Vereinigte Königreich, Frankreich oder Spanien könnten dagegen ihren Wasserstoff exportieren. Ursächlich dafür seien zum einen das höhere Potenzial erneuerbarer Energien, aber auch eine technologieoffenere Herangehensweise dieser Länder.
Blauer Wasserstoff in den Niederlanden und UK
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"Die Lösungsansätze für das Angebot sind bereits für die sechs Länder, die wir betrachtet haben, sehr unterschiedlich", kommentierte Studienautor Simon Schulte die Studienergebnisse. So setzen das Vereinigte Königreich und die Niederlande etwa zunächst auf blauen Wasserstoff, der per Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen wird und dessen CO2-Emissionen bei der Entstehung abgeschieden und gespeichert werden. Denn in diesen Staaten seien Öffentlichkeit und Politik solchen Technologien gegenüber - zumindest als Übergangslösung - positiv eingestellt.
Grüner Wasserstoff in Spanien, Italien und Deutschland, Sonderweg für Frankreich
Grüner Wasserstoff, der mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien und Wasser per Elektrolyse hergestellt wird, wird dagegen insbesondere von südeuropäischen Ländern wie Spanien und Italien bevorzugt. Beide zeichneten sich durch ein hohes Potenzial für erneuerbare Energien, insbesondere der Photovoltaik, aus. Aber auch Deutschland konzentriert sich in seiner Nationalen Wasserstoffstrategie ausschließlich auf grünen Wasserstoff. Einen Sonderweg schlage Frankreich ein, heißt es in der Studie weiter. Aufgrund seines hohen Anteils an Atomenergie im Strommix setze das Land unter anderem auf Kernenergie-basierten Wasserstoff. Auch wenn die langfristige Bedeutung der Kernenergie in Frankreich unklar sei, könnte dieser Ansatz dem Nachbarland einen schnellen und kosteneffizienten Markthochlauf mit Wasserstoff ermöglichen, hieß es.
Große Unsicherheit bezüglich der Nachfrage
Bezüglich der Nachfrage nach Wasserstoff liegt laut Studie in allen betrachteten Ländern - sowohl mit Blick auf 2030 als auch 2050 - eine hohe Unsicherheit vor. In der Folge zeichnet die Studien zahlreiche Szenarien für einen möglichen Entwicklungsverlauf der Wasserstoffnachfrage. Unklar sei insbesondere, ob mittelfristig in Gebäuden und im Verkehr Wasserstoff in größeren Mengen eingesetzt werden wird. Dies sei etwa abhängig davon, inwieweit die Verbraucher elektrische Lösungen (Wärmepumpen oder E-Autos) annehmen werden.
Politische Unterstützung notwendig
In der Industrie könnte Wasserstoff für alle untersuchten europäischen Länder zentral für die Dekarbonisierung sein. Die künftige Nachfrage hänge hier allerdings stark vom Preis ab. Hier könnten importabhängige Länder wie Deutschland einen Nachteil haben, so die Studie. "Daher wird politische und finanzielle Unterstützung notwendig sein, insbesondere zu Beginn", so Studienautor Schulte. Zumal ohne klare politische Vorgaben die bisherigen Nutzer von grauem Wasserstoff wenig Anreiz hätten, auf den teureren kohlenstoffarmen Wasserstoff umzusteigen. Auch klären müsse die Politik, inwieweit neue Infrastrukturinvestitionen "wasserstofftauglich" sein sollen, zum Beispiel bei Gaskessel in Gebäuden oder Gaskraftwerken.
Allerdings gebe es auch im Ländervergleich bisweilen wenig Klarheit über die genauen politischen Mechanismen, um die erforderlichen Investitionen und damit einen Wasserstoffhochlauf zu ermöglichen. Die Studienautoren erwarten aber weitere Erkenntnisse im Laufe des Jahres, insbesondere durch die EU-Richtlinien. Die vollständige Studie "Contrasting European Hydrogen Pathways: An Analysis of Differing Approaches in Key Markets" steht online zur Verfügung. /ml