Berlin (energate) - Mit Ausnahme des Gebäudesektors haben im vergangenen Jahr alle Sektoren ihre CO2-Einsparziele erreicht. Das Ergebnis wurde allerdings stark von der Coronapandemie beeinflusst. Zu diesem Ergebnis kommt der unabhängige Expertenrat für Klimafragen in seinem ersten Bericht. Die Bundesregierung hatte das Gremium im Jahr 2020 eingerichtet (energate berichtete). Laut Klimaschutzgesetz besteht seine Aufgabe unter anderem darin, die jeweils vom Umweltbundesamt (Uba) bis Mitte März vorzulegende Emissionsbilanz für das Vorjahr zu überprüfen. Das Uba hatte für 2020 einen Rückgang der Emissionen um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr errechnet (energate berichtete). Die Analyse bestätigen die unabhängigen Experten in ihrem Bericht, den der Gremiumsvorsitzendende Hans-Martin Henning (Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme) und seine Stellvertreterin Brigitte Knopf (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) am 15. April vorstellten.
In ihrem Bericht verweisen die Wissenschaftler allerdings darauf, dass zahlreiche Daten im UBA-Bericht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auf Schätzungen beruhten, die jeweils im Nationalen Inventarbericht im Folgejahr korrigiert werden. In den einzelnen Sektoren habe es dabei in der Vergangenheit noch zum Teil deutliche Anpassungen gegeben, so die Experten. Henning sprach von einem Spannungsfeld zwischen der unsicheren Datenlage und der Vorgabe, schnell reagieren zu müssen. Er plädierte dafür, die Datenqualität zu verbessern, etwa durch tatsächliche Messungen der Treibhausgase.
Allerdings sei es dennoch unwahrscheinlich, so die Experten, dass der Gebäudesektor sein Klimaziel für 2020 erreichen werde. Nach derzeitigem Stand lagen die Emissionen rund 67 Prozent über der Vorgabe. Laut Klimaschutzgesetz müssen nun die für den Sektor zuständigen Ministerien, in diesem Fall das Innen- und das Wirtschaftsressort innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, damit die CO2-Ziele im kommenden Jahr eingehalten werden.
Großer Pandemieeffekt
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Der Expertenrat bestätigt aber in dem Bericht auch die Erkenntnis, dass ein Großteil des erzielten Emissionsrückganges 2020 auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Mehr als die Hälfte gehe auf eine verringerte Wirtschaftsleistung zurück. Unter normalen Umständen wäre das Ergebnis für die einzelnen Sektoren daher unterschiedlich ausgefallen. Der Gebäudesektor hätte sein Ziel um 2 Mio. Tonnen übererfüllt, während der Verkehrssektor rund 15 Mio. Tonnen CO2 zu viel verbraucht hätte. "Im Verkehr habe es einen klaren Lockdown-Effekt gegeben", erläuterte Knopf vom MCC. Dies sei aber kein nachhaltiger Effekt. "Das bedeutet, dass wir 2022 hier wieder auf dem alten Pfad sind und der Verkehr mit hohen Emissionen dasteht", blickte sie voraus.
Höheres EU-Klimaziel mit Folgen
In ihrem Bericht gehen die Experten auch auf die Folgen ein, die ein höheres EU-Klimaziel von 55 Prozent bis 2030 für die deutschen Emissionsvorgaben hätte. Eine abschließende Bewertung sei erst möglich, wenn klar sei, mit welchem Instrumentenmix, welchem Zusammenspiel zwischen ETS- und Non-ETS-Sektor, das Ziel erreicht werden soll. Abzusehen sei, dass sich der deutsche Emissionspfad bis 2030 durch ein höheres EU-Ambitionsniveau verändern werde. "Variiert man die Annahmen anhand von denkbar erscheinenden Szenarien, könnte sich im Jahr 2030 eine Bandbreite von 62-68 Prozent Gesamtminderung gegenüber 1990 für die deutschen Treibhausgasemissionen ergeben." Aktuell sieht das Klimaschutzgesetz eine Minderung von 55 Prozent vor. Die Experten schlagen daher vor, frühzeitig Szenarien zu erstellen. /kw