Wien (energate) - Die Stadt Berlin hat ihr Stromnetz verkauft und kauft es jetzt wieder zurück: Ein Beispiel dafür, wie man es besser nicht macht, so Peter Hanke (SPÖ). Er ist als Stadtrat für die Wiener Stadtwerke mit ihren rund 15.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund drei Mrd. Euro verantwortlich. Sorgen bereitet Hanke das geplante Informationsfreiheitsgesetz.
energate: Herr Stadtrat Hanke, wie beurteilen Sie die aktuelle Entscheidung des Berliner Senats (energate berichtete), das städtische Stromnetz um 2,1 Mrd. Euro zurückzukaufen?
Hanke: Viele europäische Großstädte gingen oder gehen diesen für die Kommunen teuren Weg. Es ist die logische Konsequenz einer fehlgeleiteten neoliberalen Politik. Vor rund zwanzig Jahren trieb man die scheinbar so schlecht wirtschaftenden Kommunen dazu, ihr Tafelsilber zu verkaufen. Kurzfristig kam Geld in die Kassa, man konnte das eine oder andere wichtige Projekt finanzieren. Aber die Ernüchterung kam recht bald: Zu geringe Investitionen in die Erhaltung der Netze und steigende Preise für die Bürger. Heute sind wieder alle klüger. Kurzfristige Profitmaximierung und ein gutes Stromnetz oder Gasnetz sind keine Geschwister. Wien geht hier den richtigen Weg.
energate: Befürworter von Privatisierungen argumentieren mit einer besseren Wirtschaftlichkeit durch private Betreiber.
Hanke: Das sind längst widerlegte Klischees von den angeblich ineffizienten Unternehmen in öffentlichem Eigentum. Es stimmt schon: Unternehmen wie die Wiener Stadtwerke haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen enormen Wandel durchgemacht und sind effizienter geworden. Die handeln längst genauso wirtschaftlich wie private Betreiber. Heute braucht ein Unternehmen wie die Wiener Netze den Vergleich mit einem privatwirtschaftlichen Unternehmen wahrlich nicht mehr scheuen. Gleichzeitig wissen die Wiener Netze um ihren öffentlichen Auftrag und handeln danach. Unterm Strich gibt es für mich kein Argument, das für private Betreiber sprechen würde.
energate: Gab es jemals in der Wiener Stadtregierung Überlegungen, das Stromnetz oder andere Teile der Versorgung zu privatisieren, und sind in den vergangenen Jahren diesbezüglich Interessenten an die Stadt herangetreten?
Hanke: Nein. Eine Privatisierung kam für uns nicht infrage, auch nicht in den Neunzigern, als die große Privatisierungswelle über Europa geschwappt ist. Wir sind stolz darauf, dass unsere Daseinsvorsorge in starker öffentlicher Hand ist. Und die Zeit gibt uns recht: Von 2000 bis 2020 gab es in 24 europäischen Ländern 955 Rekommunalisierungen. Hier wurde ehemals öffentliches Eigentum teuer zurückgekauft. Das haben wir uns in Wien erspart.
energate: Sie bezeichnen in diesem Zusammenhang auch das von der Bundesregierung geplante Informationsfreiheitsgesetz (IFG) als "Gefahr". Warum?
Hanke: Grundsätzlich, und das möchte ich wirklich hervorstreichen, sind wir für ein Informationsfreiheitsgesetz. Wir wollen mehr Transparenz. Ich bin absolut dafür, das Amtsgeheimnis abzuschaffen und den Zugang zu Informationen von allgemeinem Interesse als verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht festzuschreiben. Aber der vorliegende Entwurf ist problematisch. Er sieht vor, ausschließlich Unternehmen im öffentlichen Besitz in die Pflicht zu nehmen. Auch dann, wenn diese im harten Wettbewerb mit privaten Unternehmen stehen, wie das zum Beispiel im Energiesektor der Fall ist. Ausgenommen sind einzig öffentliche Unternehmen, die börsennotiert sind. Das ist das Erste, was mich stört, dass börsennotierte Unternehmen ausgenommen sind.
energate: Und das Zweite?
Hanke: Viel grundsätzlicher stört mich, dass durch den Gesetzesentwurf öffentliche Unternehmen wirtschaftsrelevante und sensible Informationen offenlegen müssten. Damit geht auch ein immenser Verwaltungsaufwand einher. Dies stellt eine doppelte Ungleichbehandlung und Schlechterstellung öffentlicher Unternehmen gegenüber privaten oder börsennotierten Unternehmen dar. Am Ende könnte das IFG dazu führen, dass durch die Benachteiligung der öffentlichen Unternehmen Privatisierungsdruck entsteht. Dass diese Privatisierungen mittel- und langfristig aber nicht im Sinne der Bürger sind, zeigt das Beispiel des Berliner Stromnetzes.
Die Fragen stellte Peter Martens, energate-Redaktion Wien.