Berlin (energate) - Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) warnt vor einem Aufbau von Infrastrukturen für blauen Wasserstoff. Es drohe die Gefahr von Lock-in-Effekten, heißt es in einer Stellungnahme des Beratergremiums der Bundesregierung. Die Nutzung von Wasserstoff stellen die Wissenschaftler darin nicht infrage. Dieser werde "als Energieträger und Rohstoff in einem dekarbonisierten Wirtschaftssystem benötigt", heißt es. Der Fokus soll demnach aber auf Bereichen liegen, in denen aktuell grauer Wasserstoff eingesetzt wird. Die Nutzung sollte nur "sehr eingeschränkt" auf weitere Bereiche ausgedehnt werden, so das Gremium. Der Grund: die begrenzte Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff.
Warnung vor Stranded Investments
Blauen Wasserstoff, also aus Erdgas mittels CO2-Abscheidung gewonnen, hält der Umweltrat nicht für eine Alternative. Die Herstellung verursache signifikante Treibhausgasemissionen, etwa Methan bei der Erdgasförderung, zudem verblieben bei der CO2-Abscheidung Restemissionen. Auch für den schnelleren Markthochlauf sei blauer Wasserstoff nicht notwendig, so die Autoren. "Es gibt noch gar keine Transport- und Einlagerungsinfrastruktur für CO2", sagte Claudia Kemfert, stellvertretende SRU-Vorsitzende und Leiterin der Energieabteilung am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, zu energate. Das Argument, dass kurzfristig blauer Wasserstoff verfügbar ist, stimme nicht. "Es drohen hier aber Stranded Investments, wenn Unternehmen anfangen, Infrastrukturen aufzubauen."
Treibhausgasneutral kann nach Ansicht des SRU nur Wasserstoff sein, der per Elektrolyse aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Die Verfügbarkeit hänge daher vom Zubau der Erneuerbaren ab. Auch Importe hält das Gremium für notwendig, da Deutschland sein Erzeugungspotential wegen bestehender Konflikte um Flächen nicht ausschöpfen könne. Der Bedarf für Lieferungen aus dem Ausland werde aber erst im Lauf der 2030-Jahre entstehen. Grundsätzlich fordern die Gutachter ein Nachweissystem, das neben ökologischen auch soziale Kriterien umfasst. "Wir brauchen klare Nachhaltigkeitskriterien für Wasserstoff. Diese sollten zeitnah definiert und international verbindlich festgelegt werden", betonte Kemfert. Entsprechende Zertifizierungssysteme müssten daher schnellt entwickelt werden.
Keine Beimischung ins Gasnetz
Auch auf lange Sicht sollte der Einsatz von Wasserstoff laut SRU auf Bereiche begrenzt bleiben, in denen keine direkte Elektrifizierung möglich ist, also etwa in der Industrie sowie im Schiffs- und Flugverkehr. Bei dezentralen Gebäudeheizungen und im PKW-Verkehr sei die Nutzung von Wasserstoff dagegen ineffizient und deutlich teurer als eine Elektrifizierung mittels Wärmepumpen und Elektroautos. Grundsätzlich wendet sich das Gremium in seiner Stellungnahme gegen eine Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz. "Dies stellt eine Verschwendung von Wasserstoff dar und verursacht technischen Anpassungsbedarf bei den Verbrauchern", so Kemfert. Die Schlussfolgerung, dass die Umrüstung von Gasnetzen günstiger als der Neubau reiner Wasserstoffpipelines sei, lässt sich nach Ansicht des Umweltrates nicht ziehen. /kw