Wien (energate) - Die Energiewirtschaft begrüße das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) ausdrücklich, sagte Michael Strugl, Präsident des Branchenverbands Oesterreichs Energie, im Interview mit energate. Bei der Versorgungssicherheit bleibe jedoch viel zu tun und es werde auch zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Strugl äußerte sich auch zu der Frage, ob die Ziele des EAG wirklich erreichbar sind.
Themenseiten
Auf folgenden Themenseiten finden Sie weitere Meldungen zum Thema.
Energiespeicher
EAG
Wasserstoff
energate: Herr Dr. Strugl, der Nationalrat hat dem EAG nun zugestimmt. Wie kommentieren Sie die nun vorliegende Version?
Michael Strugl: Grundsätzlich ist die Energiebranche wirklich froh, dass das Gesetz beschlossen wurde. Wir sind bereit, Milliarden zu investieren, und bei den Ausbauzielen sind sehr große Anstrengungen erforderlich. Das EAG und seine Förderkulisse gibt uns Planungssicherheit, und das ist positiv. Es sind auch sehr viele Punkte drin, die die Branche ausdrücklich begrüßt.
energate: Sie haben sich im Vorfeld mehrmals kritisch zum EAG geäußert, etwa im Hinblick auf die Versorgungssicherheit. Ist diese Kritik nun weg?
Strugl: Das EAG ist eine gute Grundlage für den Ausbau der Erzeugung. Wir reden aber immer über die 27 Mrd. kWh aus Erneuerbaren, wir reden jedoch nicht über die Netzwende und zusätzlich notwendige Flexibilitäten. Wenn wir aber die Erzeugung ausbauen, müssen wir im selben Ausmaß auch die Netze und die Speicher ausbauen, denn die erzeugte Energie muss ja abtransportiert werden. Wir brauchen daher einen integrierten, zeitlich und regional abgestimmten Planungsansatz auch für den Netzausbau und den Speicherausbau. Das sehe ich im EAG in dem Ausmaß, der notwendig wäre, nicht. Es müssen noch viele Überlegungen angestellt werden beim ElWOG und bei der Sektorkopplung. Da liegt noch viel Arbeit vor uns. Mit dem Ausbau der Erzeugung alleine ist es nicht getan.
energate: Die Energiewirtschaft hat sich im Vorfeld auch gegen das geplante Recht von Energiegemeinschaften gestemmt, eigene Stromnetze zu betreiben.
Strugl: Vorweg: Ich halte die Energiegemeinschaften für einen richtigen Weg. Die Idee kommt von der europäischen Ebene und ist in zweifacher Hinsicht gut: Der Bürger wird Teil der Energiewende, was die Akzeptanz erhöht, und gleichzeitig werden die Netze entlastet, weil der Strom vor Ort verbraucht wird. Die Möglichkeit eigener Netze hätte das Netzmonopol aufgebrochen, und das haben wir kritisiert. Die Stromnetze sind aus guten Gründen ein regulierter Bereich, weil es hier um die Versorgungssicherheit geht. Dass man hier vom ursprünglichen Plan abgegangen ist, halte ich für vollkommen richtig.
energate: Wie bewerten Sie die anderen Regularien bei den Energiegemeinschaften?
Strugl: Die Energiegemeinschaften bekommen viele Privilegien, etwa einen sehr günstigen Ortstarif und niedrige Anschlusspauschalen. Dazu ist in letzter Sekunde noch eine neue Konstruktion dazu gekommen: Sie bekommen für 50 Prozent ihres Überschussstroms noch eine Marktprämie. Das kann man alles so machen, das ist eine politische Entscheidung. Aber man muss dazu sagen, dass das trotzdem jemand bezahlen muss. Und zahlen werden das über die Netztarife alle Stromkunden: Haushalte, Gewerbe, Industrie. Diese Kosten werden sozialisiert. Das heißt: Wir haben hier einen neuen Marktakteur, der auf der Netzseite privilegiert ist, aber gleichzeitig in den Markt eintritt und dafür auch eine Marktprämie bekommt, die der Stromkunde mit seinen Ökostromförderbeiträgen bezahlt. Das ist also eine Wettbewerbsverzerrung und gleichzeitig eine Verteuerung für die Stromkunden.
energate: Seitens der Politik heißt es, das Thema Wasserstoff stehe im EAG im Mittelpunkt. Stimmt das?
Strugl: Ich begrüße ausdrücklich, dass es im EAG auch eine Förderung für erneuerbaren Wasserstoff gibt. Schade ist jedoch, dass diese Förderung von ursprünglich geplanten 50 auf 40 Mio. Euro gekürzt wurde. In Deutschland zum Beispiel sind für IPCEI-Projekte 8 Mrd. Euro eingeplant. Salopp formuliert, geht in Deutschland beim Thema Wasserstoff gerade die Post ab. Ich sage nicht, dass hier für Österreich die übliche Relation von eins zu zehn gelten soll, aber wir hätten uns einen ambitionierteren Zugang gewünscht. Auch das Beimischungsverbot für Wasserstoff in die Gasnetze halte ich für kontraproduktiv, wenn es darum geht, die Hochlaufphase für die Wasserstoffwirtschaft anzustoßen. Hier ist bei den noch ausstehenden Gaswirtschaftsgesetzen noch einiges zu tun. Das ändert jedoch nichts daran, dass wir froh über die neue Förderung für Wasserstoff sind. Jetzt geht es für Österreich darum, dass wir international den Anschluss an die großen Industriekonsortien, die sich gerade bilden, nicht verlieren.
energate: Zum Abschluss die Gretchenfrage. Sie sagen, Österreich brauche etwa 11 Mrd. kWh an saisonalen Speichern. Abgesehen von Pumpspeichern sind solche Technologien derzeit nicht in Sicht. Ist das zentrale Ziel des EAG tatsächlich erreichbar?
Strugl: Ein Drittel dieser Kapazitäten haben wir schon bei den Pumpspeichern. Hier können noch einige Projekte realisiert werden, aber dann limitiert uns die Topografie, und deshalb werden wir andere großtechnische Möglichkeiten brauchen. Das werden wahrscheinlich Gasspeicher sein. Österreich hat hier geologisch Speicher in größerem Ausmaß zur Verfügung, Kavernen, die jetzt mit fossilen Gasen und künftig mit Wasserstoff genutzt werden. Pilotprojekte dazu laufen. Ob es gelingt, das Ziel zu erreichen, hängt aber auch davon ab, ob es genug Flächen für den Bau der Anlagen und schnelle Genehmigungen geben wird.
energate: Das heißt, das Ziel steht da, alle geben sich optimistisch, aber ob es wirklich gelingen kann, weiß niemand?
Strugl: Ich sage nicht, dass es unmöglich ist. Aber das Ziel ist auf jeden Fall sehr, sehr, sehr ambitioniert. Ich möchte jedoch noch einmal betonen, dass wir das Gesetz begrüßen und dass es insgesamt ein wirklich guter Wurf geworden ist.
Die Fragen stellte Peter Martens, energate Redaktion Wien