Wien (energate) - Die Füllstände der Gasspeicher in Österreich sind aktuell auf einem historisch niedrigen Stand. "Die heimischen Gasspeicher sind derzeit so leer wie noch nie zu dieser Jahreszeit. Aktuell sind sie zu knapp 30 Prozent gefüllt. Üblicherweise waren die Speicher im Juli in den vergangenen zehn Jahren zu etwa zwei Dritteln gefüllt", so Lukas Zwieb, Gasmarktexperte der Österreichischen Energieagentur, gegenüber energate. Allerdings gebe es im Jahresvergleich beim Füllstand im Sommer auch starke Schwankungen. Heuer etwa wirke der kalte und lange Winter und damit das späte Ende der Heizsaison nach. Trotzdem sei der jetzige Füllstand außergewöhnlich, so Zwieb. Der vom russischen Konzern Gazprom betriebene Gasspeicher Haidach in Salzburg weist beispielsweise derzeit einen Füllstand von 5,25 Prozent auf.
Österreichischer Gaspreisindex in zwölf Monaten um 274 Prozent gestiegen
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Eine Gefahr für die Versorgungssicherheit sei die aktuelle Situation nicht, betonte Zwieb: "Mit den Versorgern gibt es langfristige Lieferverträge." Auch sei aktuell die Nachfrage nach Gas hoch, etwa in Kraftwerken, und diese Nachfrage werde auch bedient. Ausschlaggebend beim Füllstand der Speicher sei die Situation am Markt, so Zwieb mit Verweis auf den von der Energieagentur berechneten Gaspreisindex ÖGPI. Dieser Index ist im Juli im Vergleich zum Vormonat um 16,4 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Juli des Vorjahres beträgt der Anstieg mehr als 274 Prozent (energate berichtete). Die Gaspreise haben damit in etwa das Niveau vom Jänner 2019 erreicht. Weil derzeit die Preise im Gasgroßhandel so hoch sind, lohnt sich für die Betreiber von Gasspeichern in Österreich die Einspeicherung nicht, die sonst im Sommer üblich ist. Statt dessen bringen sie den Energieträger in den Verkauf.
Preistreiber am Weltmarkt
Auf dem Weltmarkt wiederum wirken mehrere Faktoren als Preistreiber. "Es gibt überall eine sehr starke Nachfrage nach allen Formen von Energie, auch die Erdölpreise sind hoch. Gleichzeitig finden bei mehreren Gasleitungen Wartungsarbeiten statt, etwa in Norwegen oder bei den russischen Pipelines Jamal und Nord Stream. Zudem wird weniger LNG nach Europa geliefert, weil die Nachfrage in China hoch ist", so Zwieb. So ist laut dem JKM-Index, der den LNG-Preis für den asiatischen Markt widerspiegelt, Flüssiggas mit Lieferung im September mehr als 40 Euro/MWh wert (energate berichtete). Ein weiterer Faktor ist auch die geringere Stromproduktion mit Windkraft in Deutschland und Großbritannien.
Wie sich die Preise künftig entwickeln, sei derzeit schwer abschätzbar, so Gasmarktexperte Zwieb. Klar ist, dass die Nachfrage hoch bleiben wird. Die Internationale Energieagentur IEA rechnet in ihrem jüngssten Gasmarktreport für das Jahr 2021 mit einem Anstieg der Nachfrage um 3,6 Prozent und in den Folgejahren mit einem jährlichen Plus von 1,7 Prozent (energate berichtete). Gründe dafür sind die wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise sowie die zunehmende Verdrängung von Kohle und Öl durch Erdgas im Zuge der Energiewende. Andererseits sind derzeit die Preise im Großhandel für das erste Quartal 2022 bereits etwas niedriger als für das vierte Quartal 2021. Händlern zufolge könnte das schon ein erster Effekt von Nord Stream 2 sein. Die zweite russische Gasröhre durch die Ostsee soll spätestens Anfang 2022 in Betrieb gehen. /pm