Berlin (energate) - Die Bundesnetzagentur will die Eigenkapitalverzinsung für Strom- und Gasnetzbetreiber anpassen. energate befragt Branchenvertreter in einer Serie zum vorgeschlagenen Zinssatz von 4,6 Prozent. Heute: Thomas Engelke, Teamleiter Energie, Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).
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Netzentgelte
energate: Die Bundesnetzagentur will einen Eigenkapitalzinssatz für Netzbetreiber in Höhe von etwa 4,6 Prozent für Neuanlagen vorschlagen. Wie halten Sie von dem Vorschlag? Ist die Höhe angemessen?
Thomas Engelke: Nein, die von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Eigenkapitalzinssätze sind viel zu hoch. Schon jetzt zahlen Verbraucher:innen in Deutschland die höchsten Strompreise in Europa. Die Bundesnetzagentur müsste die Verbraucher entscheidend entlasten, indem sie die Eigenkapitalzinsen, die nichts anderes als garantierte Renditen für die Netzbetreiber sind, deutlich stärker absenkt als im Entwurf vorgelegt. Für Neuanlagen wären statt 4,59 Prozent nur 3,47 Prozent, für Anlagen wären statt 3,03 Prozent nur 1,91 Prozent angemessen. Damit wird die Regulierung ihrem Ziel der Abbildung möglichst wettbewerblicher Bedingungen in den Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen nicht gerecht.
energate: Können Sie ein zentrales Argument nennen, warum der Zinssatz höher/niedriger ausfallen sollte oder so genau richtig ist?
Thomas Engelke: In Deutschland legt die Bundesnetzagentur alle fünf Jahre fest, wie viel Geld die Betreiber mit ihren Strom- und Gasleitungen verdienen sollen. Dies wird über den Zinssatz geregelt. Da die Verbraucherpreise im internationalen Vergleich ohnehin schon sehr hoch sind (s.o.), das Marktrisiko für die Betreiber vergleichsweise gering ist und wir zudem eine anhaltende Niedrigzinsphase haben, sind die jetzt geplanten Eigenkapitalzinsen nicht vermittelbar und auch nicht sachgerecht. Die Zinssätze müssen daher deutlich stärker abgesenkt werden als von der Bundesnetzagentur vorgeschlagen.
Zum einen wurde die Tatsache, dass die Umlaufrenditen in den letzten zehn Jahren gefallen sind, nicht ausreichend berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass die aktuelle Niedrigzinsphase noch über mehrere Jahre andauern wird. Die von der Bundesnetzagentur verwendete Berechnungsmethode mit einer Einbeziehung einer hohen Umlaufrendite ist deshalb nicht geeignet, einen realistischen risikolosen Zinssatz für die kommende Regulierungsperiode zu ermitteln. Da diese erst im Jahr 2023 für das Gasversorgungsnetz bzw. 2024 für das Elektrizitätsversorgungsnetz beginnt, muss die Umlaufrendite des Jahres 2021 in die Berechnung mit einbezogen werden. Zum anderen wird der Wagniszuschlag zu hoch angesetzt, weil bei der Berechnung zum Beispiel nur anreizregulierte Unternehmen als Vergleich dienten. Beide Faktoren führen zu einem viel zu hohen Eigenkapitalzinssatz.
energate: Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann hat gegenüber dem Beirat mögliche Verzerrungen beim Wagniszuschlag angedeutet, die eine Erhöhung rechtfertigen könnten. Wieviel Spielraum sehen Sie noch?
Thomas Engelke: Die Bundesnetzagentur hat den Vorschlag für die Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode zunächst als Mindestsätze formuliert und eine Anpassung nach oben nicht ausgeschlossen. Es gibt beim Wagniszuschlag aber keinen Spielraum nach oben, im Gegenteil, der Wagniszuschlag muss auf 2,36 Prozent gesenkt werden. Dafür muss bei der Berechnung zusätzlich zu dem richtigen Unternehmensmix als Vergleichsgrundlage auch der Mittelwert der Marktrisikoprämie aus dem geometrischen Mittel gebildet werden.
Darüber hinaus hat die Bundesnetzagentur in ihrer Pressemitteilung vom 14.07.2021 angekündigt, den Zinssatz bei einer "unerwarteten Änderung des Zinsumfeldes während der nächsten Regulierungsperiode anzupassen". Diese Argumentation läuft ins Leere. Der risikolose Zinssatz, sowohl beim Ansatz der Bundesnetzagentur als auch des Verbraucherzentrale Bundesverbands, liegt immer noch deutlich über der Umlaufrendite der letzten zwei Jahre. Davon profitieren die Betreiber von Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen. Eine nachträgliche Anhebung der Eigenkapitalzinssätze entspricht nicht der Systematik ihrer Festlegung und muss daher unterbleiben.
Die Fragen stellte Karsten Wiedemann, energate-Büro Berlin.