Wien (energate) - Die Coronakrise hat auch in der Energiewirtschaft zahlreiche Disruptionen ausgelöst. Gleichzeitig findet in der Branche gerade ein grundlegender Strukturwandel statt, um dem Ziel einer Dekarbonisierung näher zu kommen. Diese großen Trends und die Fragen dahinter stehen im Mittelpunkt der 12. Internationalen Energiewirtschaftsfachtagung (IEWT). Die Tagung findet noch bis zum 10. September in Wien statt, veranstaltet vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien und der Austrian Association for Energy Economics (AAEE). Ein zentraler Anstoß für die Branche von außen sind die Klimaschutzziele der EU sowie das im Juli vorgelegte Gesetzespaket "Fit for 55", mit dem Brüssel die Mitgliedstaaten verpflichten will, ihre Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken (energate berichtete).
Klimaziele für Österreich eine Herausforderung
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Dazu muss der Energieverbrauch deutlich stärker zurückgehen als bisher angestrebt. Beim Primärenergieverbrauch sei von 40 Prozent und beim Endenergieverbrauch bis zu 37 Prozent im Vergleich zu 1990 auszugehen, führte Günter Simader von der Österreichischen Energieagentur beim ersten Vortrag des Panels "Energiepolitik I" aus. In Österreich sind die Emissionen im Jahr 2020 zwar massiv gesunken (energate berichtete), derzeit steigen sie jedoch wieder an. Um die neuen Klimaziele zu erreichen, müsse der Endenergieverbrauch bis 2030 auf bis zu 870 PJ zurückgehen, heißt es bei der Energieagentur. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 betrug der gesamte Endenergieverbrauch in Österreich rund 1140 PJ.
EEffG neu: Erwartet wird ein Fonds als Ersatz für Maßnahmen
Dabei werde hierzulande das "Instrumentenportfolio" im neuen Energieeffizienzgesetz (EEffG) eine zentrale Rolle spielen, so Simader laut den Tagungsunterlagen. Das Umweltministerium erarbeite gerade die Umsetzung der novellierten Energieeffizienz-Richtlinie (2018/2020). Hier sei insbesondere die Umsetzung des Artikels 7 als Verpflichtungssystem für Energieeffizienz von Interesse. Erwartet werde eine Weiterentwicklung des bisherigen Systems in Kombination mit einem Fonds, so Simader mit Verweis auf das Regierungsprogramm. Das heißt: Energielieferanten können Effizienzmaßnahmen setzen. Falls diese Maßnahmen nicht reichen, sollen sie die Möglichkeit bekommen, über Ersatzzahlungen in einen Fonds ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Dabei sei zu erwarten, dass auch die Anzahl der Energieaudits steigen werde, so Gerhard Hofer vom Wiener Ingenieurbüro E7.
Wie eine Stromproduktion aussehen könnte, die bilanziell allein mit Erneuerbaren bewältigt wird, hat Benjamin Stöckl von der TU Graz berechnet. Demnach werde die Bedeutung der Energieträger Wasserstoff, grüner Gase und synthetischer Treibstoffe steigen. Der Bedarf an Biomasse lasse sich in keinem Szenario seiner Berechnung durch Gewinnung im Inland decken, so dass Importe von Biomasse notwendig würden, so Stöckl. Bei der Windkraft sei demnach ein zehnfacher und bei der Photovoltaik ein 30-facher Zubau im Vergleich zu der im Jahr 2018 installierten Leistung nötig.
Enorme Emissionsmengen durch Digitalisierung
Manuela Franz von der TU Wien verwies in ihrer Präsentation in diesem Panel auf den enormen Energiebedarf der Digitalisierung und die damit zusammenhängenden Emissionsmengen. Neben den industriellen Trends wie dem Internet der Dinge seien in der Coronakrise neue digitale Kommunikationsformen wie Videokonferenzen dazu gekommen, so Franz laut den Tagungsunterlagen. Die digitale Infrastruktur dahinter setzt sich demnach aus drei Hauptkomponenten zusammen: Rechenzentren, Kommunikationsnetze und Endnutzergeräte.
Das Ergebnis ihrer Berechnungen: Falls der Energieverbrauch der digitalen Kommunikation nicht effizienter werde, könnte der Energiebedarf der Digitalisierung im schlimmsten Fall bis zu 51 Prozent des globalen Gesamtbedarfes an Strom ausmachen. Die dadurch verursachten Emissionsmengen seien gigantisch, wenn man den Umrechnungsfaktor der IEA von 475 Gramm CO2 je kWh zugrunde legt. Schätzungen der IEA zufolge belaufen sich die Treibhausgasemissionen der weltweiten digitalen Infrastruktur für das Jahr 2020 auf 1.367 Mio. Tonnen CO2. Beim Stromverbrauch im Segment von Rechenzentren gehen dabei 45 Prozent in den Betrieb von Servern und 28 Prozent allein in deren Kühlung. /pm