Saint-Paul-lès-Durance (energate) - Die Fertigstellung des Kernfusionsreaktors Iter in Südfrankreich verzögert sich weiter. "Wir können den Termin 2025 nicht einhalten", sagte Iter-Generaldirektor Bernard Bigot auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Der Reaktor sei bisher nur zur Hälfte fertig. Das für die Kernfusion nötige Plasma wie ursprünglich geplant im Jahr 2025 herzustellen, sei technisch nicht mehr möglich. Grund sei unter anderem die Coronapandemie und eine damit verbundene Verzögerung von Komponentenlieferungen. Trotz des erneuten Rückschlags zeigte sich Bigot zuversichtlich, bis 2035 demonstrieren zu können, dass die Stromerzeugung via Kernfusion möglich ist. Allerdings bedeuten die Verzögerungen auch außerplanmäßige Zusatzkosten. Das Iter-Aufsichtsgremium habe ihn beauftragt, bis November 2022 einen revidierten Kosten- und Zeitplan vorzulegen, führte der Iter-Generaldirektor aus.
Die Finanzierung der zusätzlichen Kosten müsse zwischen den am Projekt teilnehmenden Staaten neu ausgehandelt werden, erklärte Bigot auf Nachfrage von energate. Die EU-27 beteiligt sich mit einer Summe von 5,6 Mrd. Euro zu 45 Prozent an den Kosten des Projekts. Weitere Partner sind das Vereinigte Königreich, die Schweiz, die USA, China, Südkorea, Japan, Russland und Indien. Energiekommissarin Simson bleibt trotz der Verzögerungen und drohender Zusatzkosten optimistisch: "2015 war dies hier nur eine grüne Wiese. Ich kann mir vorstellen, dass Kernfusion in naher Zukunft kommen wird", erklärte sie beim Besuch in Südfrankreich. Ab 2050 an könnte die EU mit günstigem und sicherem Kernfusionsstrom versorgt werden, so ihre Hoffnung.
Kosten verdreifacht
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Das Projekt hat in den vergangenen Jahren bereits Milliarden verschlungen und sich immer wieder verzögert. Lagen die ersten Schätzungen der Gesamtkosten bei 5 Mrd. Euro, waren sie zuletzt dreimal so hoch. Die Zahl der Zweifler an der Kernfusion als Energiequelle der Zukunft dürfte deshalb weiter steigen. Allerdings gibt es weiterhin auch Befürworter. So zeigte sich Robert Wolf vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik kürzlich im Gespräch mit energate überzeugt, dass die Kernfusion eines Tages einen Beitrag zur Stromversorgung leisten wird. Aufgrund vieler Unwägbarkeiten rechnet er damit aber erst deutlich nach 2050 (energate berichtete). /rl