Hamm (energate) - Die Stadt Hamm will mit einem Wasserstoffzentrum die Produktion und die Nachfrage nach grünem Wasserstoff zusammenbringen. Dafür haben die Stadtwerke Hamm mit der Stadtwerkekooperation Trianel ein Joint Venture gegründet. energate sprach mit Klaus Horstick, Geschäftsführer der "Wasserstoffzentrum Hamm GmbH & Co. KG".
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Forschung und Entwicklung
Wasserstoff
energate: Was genau planen Sie mit dem Wasserstoffzentrum Hamm?
Horstick: Wir möchten zu den Ersten gehören, die saubere Energie in Form von grünem Wasserstoff selbst erzeugen und anbieten. Dazu planen wir den Bau einer Elektrolyseanlage auf dem Gelände des Trianel Gaskraftwerks Hamm-Uentrop. Dabei geht es uns hauptsächlich um die Beantwortung der Fragen, die sich stellen, wenn wir Ideen von der Theorie in die Praxis überführen. Mit dem Wasserstoffzentrum möchten wir tragfähige und replizierbare Konzepte entwickeln, eine Versorgungsinfrastruktur aufbauen und anderen kommunalen Trägern zeigen, wie aufkommende Hindernisse aus dem Weg geräumt werden können. Dazu möchten wir gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen, der Hochschule Weserbergland sowie der Hochschule Hamm eine wissenschaftliche Begleitstudie durchführen, deren Ergebnisse über die Region hinaus für Anstoßeffekte sorgen sollen.
Die Gründung des Wasserstoffzentrums ermöglicht es uns, erstmals verbindliche Abnehmer für die Produkte zu finden. Erst eine verlässliche Nutzerbasis macht ein solches Projekt möglich. Dabei sollte auch nicht vergessen werden, dass Elektrolyseanlagen neben grünem Wasserstoff auch eine Palette weiterer nützlicher Produkte wie erneuerbare Wärme und Sauerstoff liefern. Das Zentrum soll also das Herzstück eines Clusters werden, welches Hersteller, Anwender und Transporteure zusammenbringt.
energate: Welche Abnehmer von Wasserstoff haben Sie im Blick? Um welche Mengen geht es dabei?
Horstick: Der städtische Personennahverkehr soll mit Wasserstoffbussen eine Möglichkeit erhalten, zum Klimaschutz beizutragen. Auch bei Abfallfahrzeugen planen wir in naher Zukunft Wasserstoff zum Einsatz zu bringen, da diese durch das häufige Anhalten und Anfahren einen höheren Energieverbrauch haben. Hinzu kommt, dass lange Ladezeiten den Betriebsablauf besonders erschweren. Durch unseren Standort an einem Transport- und Logistikhub erfahren wir von den ansässigen Spediteuren und Logistikdienstleistern ein hohes Interesse. Aber auch für die stoffliche Nutzung, also die Verwendung zur Herstellung weiterer Stoffe und Produkte, führen wir erste Gespräche.
Um diese Mengen zu produzieren, ist ein Elektrolyseur mit einer Anlagengröße von bis zu 20 MW Elektrolyseleistung geplant. Die jährliche Produktionsmenge ist stark von der Betriebsstundenanzahl abhängig. Bei 6.000 Volllaststunden kämen wir auf etwa 2.100 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Zudem möchten wir die Anlage netzdienlich fahren. Das heißt, dass wir beispielsweise große Lasten - und damit Teile des Elektrolyseurs - im Falle eines Engpasses abschalten, um das Netz zu entlasten. Bei viel erneuerbarem Strom im Netz und gleichzeitiger geringer Stromnachfrage wollen wir die Produktion anheben. Für das Jahr 2030 wird außerdem die Fertigstellung einer neuen Hochspannungsleitung zwischen Wilhelmshaven und Hamm erwartet. Dies bietet gute Möglichkeiten, beispielsweise für die Verwendung von Offshore-Strom. Wir möchten die Anlage daher modular aufbauen, sodass uns dann die Option zur Erweiterung offensteht. Zusätzlich zu erneuerbarem Strom aus bestehenden Offshore Anlagen planen wir, neue PV-Anlagen in der Region zu installieren.
energate: Welche besonderen Standortvorteile sehen Sie in dieser Region?
Horstick: Zunächst einmal spielt die Entschlossenheit der politischen Akteure eine entscheidende Rolle. Die Stadt Hamm hat nicht nur die Herausforderung rund um den Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität, sondern auch ihr eigenes Kapital als Energie- und Logistikstandort erkannt. Die Wertschöpfung in diesen Sektoren hat in Hamm Tradition. Sie hat zur Industrieansiedlung geführt und eine resiliente Infrastruktur heranwachsen lassen. Dazu zählt zum Beispiel die netztechnische Anbindung an die großen Nord-Süd-Stromtrassen, die nicht zuletzt mit der Kohleverstromung einherging.
Doch auch jenseits des Transports von Strom ist Hamm überdurchschnittlich gut vernetzt. Die unmittelbare Nähe zu den Bundesautobahnen A1 und A2, der Datteln-Hamm-Kanal und der Bahnhof als wichtiger Knotenpunkt für den Schienengüterverkehr prägen Hamm als Logistikzentrum. Gerade in dieser Branche existiert großes Interesse an Wasserstoff als Energieträger, da er überall dort zur Dekarbonisierung eingesetzt werden kann, wo die direkte Nutzung von erneuerbarem Strom an ihre Grenzen stößt. Das können sowohl wasserstoffbetriebene LKW als auch Schiffe und Züge sein. Gleichzeitig sind es die Unternehmen aus der Logistikbranche, die uns dabei helfen möchten, Transportkapazitäten für Wasserstoff aufzubauen.
energate: Wo wollen Sie mit der neuen Gesellschaft in fünf Jahren stehen?
Horstick: Wenn alles wie geplant läuft, stellen wir in fünf Jahren bereits grünen Wasserstoff für eine breitere Anzahl an Abnehmern her. Die Technik wird durch die Lerneffekte erschwinglicher und die Klimaschutzanstrengungen der Politik und Wirtschaft werden für die entsprechenden Nachfrageeffekte sorgen. Auch in den Jahren nach 2026 werden noch Pionierprojekte, die heute als First Mover gelten, ans Netz gehen und erste Mengen grünen Wasserstoff liefern. Ein großtechnischer Einstieg in die Wasserstoffproduktion zum Ende des Jahrzehnts steht uns dann noch bevor. Entscheidend sind dann die Wettbewerbsvorteile, die das Wasserstoffcluster uns bietet, da der Einsatz der Technologie mit allem, was dazu gehört, hier schon erprobt sein wird. Wenn in fünf Jahren das Know-how, die Fachkräfte und das Unternehmertum in Hamm ausgeprägt sind und damit der Wasserstoffhochlauf beginnt, dann ist das Wasserstoffzentrum ein Erfolg.
Die Fragen stellte Artjom Maksimenko