Wien (energate) - Die Umstellung auf Elektromobilität bringe enorme Herausforderungen für Netzbetreiber mit sich, betonte Reinhard Nenning während der "E-Mobilitätstage 2021" vergangene Woche in Wien. "Der Eingriff in unser System ist markant. Wir werden wahrscheinlich ein Viertel von Österreich aufgraben müssen. Nun brauchen wir spürbare Hilfe von der Politik und der Regulierung", so der Verteilernetzplaner von Vorarlberg Netz, einer Konzerntochter des Versorgers Illwerke VKW. Die Transformation der Energieversorgung sei ein Paradigmenwechsel. Während thermische Kraftwerke und Atomkraft aus der Grundlast gingen, müssten Netzbetreiber auf der Niederspannungsebene Photovoltaik, Wärmepumpen und Elektromobilität integrieren. "Die Elektromobilität ist da die größte Herausforderung", so der Netzplaner. Nenning ist auch als Mitglied im Arbeitskreis Verteilernetze der Interessenvertretung Oesterreichs Energie. Nach Berechnungen dieses Arbeitskreises und der APG würden wegen der Elektromobilität bis 2030 zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe entstehen, falls keine begleitenden Maßnahmen kommen.
Elektroautos schon heute ein beachtlicher Faktor
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Nach Plänen der türkis-grünen Bundesregierung soll bis 2030 jedes dritte Auto einen Elektromotor haben. Bei einem Gesamtbestand von aktuell 5,1 Mio. Fahrzeugen entspricht das 1,5 Mio. Elektroautos. Diese Politik sowie die staatlichen Beihilfen beim Kauf zeigen bereits Wirkung. Nach Daten der Statistik Austria hatten heuer zwischen Jänner und September knapp 13 Prozent aller neu zugelassenen Autos einen vollelektrischen Antrieb. Der Fachverband BEÖ erwartet, dass bis Ende des Jahres im gesamten Bestand etwa 80.000 Fahrzeuge einen Elektromotor haben werden, Hybridfahrzeuge nicht mitgerechnet.
"Das ist schon eine Marke, bei der man als Netzplaner beginnt, sich Gedanken zu machen, wie das gehen soll", erklärte Nenning dazu. Zum Auftakt der "E-Mobilitätstage" erklärte auch Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, dass der Ausbau der Netze und Speicher die wichtigste Aufgabe in diesem Bereich sei. Der Mehrbedarf an Strom sei dagegen durchaus zu bewältigen (energate berichtete).
Technologie: Viel mehr Trafostationen
In Wohngebieten seien die Netze in Wohnblöcken auf etwa 1 kW pro Wohneinheit ausgelegt. Ab einer bestimmten Zahl von Ladesäulen mit einer Leistung von 11 kW stoße die aktuell installierte Technik an ihre Grenzen, so Nenning: Die Spannung sinke, während es beim Transformator und dem dazu gehörenden Kabel zu Überlastungen komme. Bei der Netzplanung sei außerdem eine notwendige Reserve für PV und Wärmepumpen zu berücksichtigen. "Das bedeutet die Verkürzung der maximal zulässigen Stranglänge in der Niederspannung, und das bedeutet wiederum eine vielfache Anzahl an Trafostationen", erklärte Nenning. Das bringe in dicht bebauten Regionen Konflikte mit Grundbesitzern mit sich und bedeute höheren Aufwand. Nenning verwies hier auf das Beispiel der Vorarlberg Netz, die 1.600 Trafostationen betreibt. In den nächsten Jahren will der Netzbetreiber diese mit zusätzlicher "Intelligenz" und Messtechnik ausstatten und 320 Trafostationen neu dazu bauen.
Situation bei Daten und neue Regelwerke
Eine andere Herausforderung aus Sicht der Verteilernetzbetreiber sei die fehlende Transparenz auf den unteren Netzebenen, betonte Nenning. "Bei den Gittermastleitungen, Umspannwerken und wichtigen Trafostationen haben Netzbetreiber schon heute relativ gute Lastdaten. Auf der Ebene der Transformatorstationen ist nach dem Stand der Technik ein Schleppzeiger, der anzeigt, dass diese Station letztes Jahr irgendwann 400 kW gebraucht hat, und mehr weiß man nicht. Und auf den Ebenen weiter unten weiß man normalerweise noch weniger." Wenn nun Konsumenten ihre Zustimmung zu Smart Metern verweigern, seien Netzbetreiber "im Blindflug unterwegs" so der Experte. "Wir brauchen die Daten der Smart Meter, damit wir die Netzreserve kosteneffizient bewirtschaften können. Alles andere wäre in meinen Augen ein Generalversagen."
Auf der Ebene der Regulierungen sind aktuell mehrere Regelwerke in Ausarbeitung. Im Entwurfsstadium befinden sich etwa mehrere Teile von "TOR" (Technische und organisatorische Regeln für Betreiber und Benutzer von Netzen). Diese Änderungen sollen in den nächsten Woche in Konsultation gehen und innerhalb weniger Monate in Kraft treten. /pm