Berlin (energate) - Trotz rechtlicher Bedenken prüfen erste Energieversorger, Bestands- und Neukunden in der Grundversorgung unterschiedlich zu bepreisen. "Gemeinsam mit verschiedenen Kunden suchen wir nach einem Weg, das Tarifmodell dahin gehend weiterzuentwickeln, dass es in seiner Wirkung einem zweiten Grundversorgungstarif entspricht", kündigte der Geschäftsführer der Unternehmensberatung BET, Alexander Kox, auf energate-Nachfrage an. Die Namen der betroffenen Versorger wie auch Details zu dem möglichen Tarifmodell wollte er noch nicht nennen, da das Thema aus juristischer Sicht sehr kontrovers diskutiert werde. Mit seinen Überlegungen an die Öffentlichkeit gegangen ist bisher der Vertriebsvorstand des Kölner Regionalversorgers Rheinenergie, Achim Südmeier. Offen ist in Köln aber noch, zu welchem Schluss "die umfangreiche Prüfung" letztlich kommt.
Ursache für die Neugestaltung der Tariflandschaft sind die nicht abreißenden Preisrekorde im Gas- und Stromhandel. Diese führen zu deutlichen Mehrbelastungen für Haushalte in der Grundversorgung, weniger aber in den Sondertarifen. Die Grundversorgung ist im EnWG als Sicherheitsnetz für alle angeschlossenen Energiekunden ausgestaltet. So fängt der Grundversorger, der alle drei Jahre neu bestimmt wird, diejenigen Kunden auf, deren Energielieferant in die Insolvenz geht. Folge davon: Für diese ungeplanten Neuzugänge müssen die Grund- beziehungsweise Ersatzversorger am Spotmarkt Gas- und Strommengen nachkaufen. Die preislichen Auswirkungen spüren auch die treuen Bestandskunden, die sich mitunter seit Jahrzehnten in der Grundversorgung befinden, weil ihnen ein Wechsel in einen Sondertarif zu umständlich oder ihnen die Option gar nicht bekannt ist. So haben unter anderem die Leipziger Stadtwerke eine Preiserhöhung von durchschnittlich 29 Prozent in der Grund- und Ersatzversorgung beim Erdgas angekündigt, während die Preise in den Sonderverträgen nur um 15 Prozent steigen werden (energate berichtete). Dort kommt eine Splittung der Grundversorgung allerdings nicht infrage. "Das ist keine Option für die Leipziger Stadtwerke", sagte ein Unternehmenssprecher zu energate.
Juristen prüfen Umsetzbarkeit
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Unter Juristen ist umstritten, ob Grundversorger ihre Bestandskunden tatsächlich vor den Preiserhöhungen schützen dürfen. "Wir sehen es als unzulässig an, unterschiedliche Tarife für Bestands- und Neukunden in der Grundversorgung zu schaffen. Schon aus dem europäischen Recht folgt, dass der Grundversorger sich nichtdiskriminierend verhalten muss", argumentiert etwa Christina Will von der Kanzlei Rosin Büdenbender in einem Gastkommentar für energate. Neben kartellrechtlichen Problemen (§ 19 GWB) fürchtet sie auch negative Auswirkungen für den Wettbewerb im Energiemarkt. So könnten höhere Tarife als Strafe für diejenigen Kunden wirken, die zu einem Wettbewerber gewechselt sind und nun wieder in die Grundversorgung fallen. Bisher gibt es noch keinen Präzedenzfall in der Rechtsprechung zu der Splittung eines Grundversorgungstarifes, führt die Juristin aus. Dennoch verweist sie auf Urteile des Bundesgerichtshofes, in denen sich die Anschlusspflicht in der Grundversorgung auf "jedermann" erstrecke. /mt