Berlin (energate) - Die Zahl der PPA-Abschlüsse in Deutschland hat sich zuletzt spürbar erhöht. Doch der Markt ist nach wie vor unübersichtlich und von einzelnen Projektabschlüssen geprägt. Julius Ecke, Partner der Beratungsgesellschaft Enervis, sprach mit energate über die jüngsten Marktentwicklungen, die Verhandlungspositionen von Erzeugern und Abnehmer und die regulatorischen Barrieren für PPAs.
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EEG-Umlage
energate: Herr Ecke, die Zahl der PPA-Abschlüsse im deutschen Markt hat sich zuletzt spürbar erhöht. Wie ordnen Sie aus Ihrer Perspektive die Marktentwicklung ein und welche Trends zeichnen sich ab?
Ecke: Die Zunahme der Abschlüsse zeichnet sich bereits seit längerem ab, ist also nicht direkt durch die zuletzt gestiegenen Großhandelsstrompreise hervorgerufen worden. Vielmehr basiert sie auf Entscheidungen, die mindestens zu Beginn des Jahres 2021 gefällt wurden oder sogar noch davor. Dennoch passt das gestiegene Großhandelspreisniveau gut ins Bild und zeigt ein Niveau auf, zumindest kurzfristig, welches in fundamentalen Modellierungen erst ab Mitte der 2020er Jahre oder später erkennbar war. Insgesamt führen die gestiegenen Strompreise dazu, dass sich Industrieunternehmen mit dem Instrument PPA zur Stabilisierung ihrer Strombeschaffungskosten beschäftigen. Das zunehmende Interesse ist erkennbar, jedoch weniger stark, als man in Anbetracht des starken Strompreisanstiegs vielleicht denken würde. Viele Abnehmer nehmen noch eine abwartende Haltung ein und wollen sehen, wie sich die Märkte weiterentwickeln.
energate: Wie hat sich das Preisniveau für PPAs zuletzt entwickelt?
Ecke: Insgesamt lässt sich eine Zunahme der PPA-Preise feststellen. PPAs beinhalten die langfristige Lieferung von grünem Strom. Vor diesem Hintergrund sind für die Preisbildung im Kern drei Faktoren ausschlaggebend: der antizipierte Wert des Stroms und nicht zuletzt die relative Verhandlungsposition von Abnehmer und Anbieter. Die Preiserwartung hat im Zuge des Anstiegs der Erdgas- und CO2-Preise auch mittel- und langfristig angezogen und auch die Zahlungsbereitschaft für Grünstrom hat zugenommen. Anders formuliert: Bei höheren Strompreisen sind auch PPAs mehr wert. Interessant ist aber der letzte Punkt: Es lässt sich konstatieren, dass bestimmte Marktsegmente sich von einem Käufer- zu einem Verkäufermarkt entwickeln. Dies ist insbesondere der Fall, wo das Angebot an PPAs nicht mittelfristig nachziehen kann, beispielsweise also bei der offshore Wind-Energie, wo die Projektpipeline generell begrenzt ist und lange Entwicklungszeiten bestehen.
energate: Wie schätzen Sie das Marktvolumen auf der Erzeugerseite ein?
Ecke: Im "Premiumsegment", also Grünstrom aus ungeförderten Neuanlagen in Deutschland, sehen wir insbesondere zwei Angebotsquellen: neue ungeförderte Photovoltaikanlagen und die "zero cent bids" der Offshore-Windenergie. Nach unseren Datenerhebungen könnten im Jahr 2021 allein gut 4.000 MW an ungeförderter PV einen Aufstellungsbeschluss erhalten, deutlich mehr als in den Jahren zuvor, hier tut sich also viel. Bei der Offshore-Windenergie ist das Angebot bekannt und begrenzt auf die bisherigen Zuschläge von rund 1.800 MW, die bis Mitte dieser Dekade ans Netz gehen. Die neuen Zuschläge von 958 MW könnten grundsätzlich auch PPAs anbieten, in welchen Marktsegmenten sie platziert werden ist jedoch noch nicht klar. Dazu kommt das große Potenzial der PPAs aus dem "Post-Subsidy-Betrieb" von EEG-Anlagen. Auch auf den europäischen Erzeugermärkten sehen wir interessante Entwicklungen. Früher etablierte Märkte wie Spanien sind nach wie vor interessant, nun erhalten aber beispielsweise auch Märkte wie Polen und zunehmend Griechenland viel Aufmerksamkeit.
energate: Wie sieht es auf der Seite der Abnehmer aus? Die deutsche Industrie hat ja zuletzt öffentlich großes Interesse am direkten Grünstrom-bezug bekundet.
Ecke: Neben Abnehmern von PPAs aus den bekannten Branchen, zum Beispiel Bahnunternehmen und die Betreiber von Rechenzentren, prägen nun auch zunehmend große Chemieunternehmen das Bild, dazu kommen neue Abnehmer, die Grünstrom für die Elektrolyse zur Erzeugung von grünem Wasserstoff verwenden wollen. Die Marktnachfrage ist grundsätzlich da, die Zahlungsbereitschaft ist jedoch unterschiedlich. Auch könnte eine Frage sein, wie hoch die Tragfähigkeit bestimmter Branchen für hohe Energiepreise eigentlich ist bzw. ob sich bestimmte Branchen den Abschluss eines PPAs auf aktuellem Niveau überhaupt leisten können. Der Ausblick auf den Abnahmemarkt für PPAs in Deutschland ist aber insgesamt deutlich positiv.
energate: Marktteilnehmer beklagen einen unpassenden Regulierungsrahmen für PPAs, der die Marktentwicklung hemmt. Wo liegen dies-bezüglich aus Ihrer Sicht zentrale Stellschrauben, um den Markt zu beleben?
Ecke: Regulatorische Unsicherheit ist allgemein negativ zu bewerten, kann aber in einem dynamischen Umfeld, welches zur Erreichung der Klimaziele kontinuierlich angepasst wird, auch nicht vermieden werden. Vorschläge, die auch Bestandsinvestitionen negativ betreffen, sind jedoch sicherlich nicht förderlich für den Aufbau eines PPA-Marktes. So wird als Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen auf den Energiemärkten aus einzelnen Mitgliedstaaten eine Umstellung des Marktdesigns hin zu einem vollkostenbasierten Strommarktdesign gefordert. Solche weitreichenden Eingriffe verunsichern Investoren in PPA-Projekte und bremsen somit deren Investitionstätigkeit. Ein Problem in vielen Projekten ist auch, dass ein delegierter Rechtsakt der EU-Kommission noch nicht vorliegt, der die Bedingungen für Grünstrom für die Produktion von grünem Wasserstoff regelt. Begrüßenswert ist jedoch, dass inzwischen eine Regelung zur EEG-Umlagebefreiung von Elektrolysestrom vorliegt.
energate: Mit welchen regulatorischen Neuregelungen ließe sich der Markt beleben?
Ecke: In Bezug auf neue Instrumente könnten wir uns vorstellen, PPAs durch öffentliche Absicherungsinstrumente zu flankieren, die gezielt bestimmte "unproduktive" Risiken übernehmen. Solche Ideen erfreuen sich auch in verschiedenen europäischen Märkten gewisser Beliebtheit, beispielsweise in Ländern, wo sich Abnehmer mit guter Bonität schwer finden lassen.
Die Fragen stellte Rouben Bathke.