Berlin (energate) - Vor gut einem Jahr rief die Deutsche Energieagentur (Dena) mit weiteren Partnern die Marktoffensive Erneuerbare Energien ins Leben. Ziel der Initiative ist es, den inhaltlichen Austausch über PPAs zu fördern und das Beschaffungsinstrument stärker im Energiemarkt zu etablieren. Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Dena-Geschäftsführung, sprach mit energate über die Arbeit der Marktoffensive, die Entwicklung des deutschen PPA-Marktes und den Abbau regulatorischer Hürden.
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EEG-Umlage
PPA
energate: Herr Kuhlmann, vor gut einem Jahr haben Sie gemeinsam mit dem DIHK und den Klimaschutz-Unternehmen die "Marktoffensive Erneuerbare Energien" als Plattform und Diskussionsforum für den PPA-Markt gegründet. Wie fällt Ihr Zwischenfazit zur Arbeit der Initiative aus?
Kuhlmann: Unsere Initiative beschäftigt sich mit Themen rund um marktgetriebene Geschäftsmodelle für grüne Energie. Aktuell liegt der Fokus auf grünen Stromlieferverträgen oder kurz Green PPAs. Besonders durch die Veränderungen in der Wirtschaft ist der Andrang groß und das Interesse wächst stetig. Mittlerweile sind mehr als 50 Unternehmen Teil unserer Initiative und wir freuen uns über weitere Mitglieder. Ziel der Marktoffensive ist es, Enabler zu sein und eine zentrale Plattform für die direkte Nutzung grüner Energie in der Wirtschaft zu etablieren. Ende Oktober haben wir unser Positionspapier mit Handlungsempfehlungen zur Förderung von Green PPAs veröffentlicht. Die zukünftige Regierung ist gefordert, den richtigen Rahmen für zusätzliche Investitionen in Klimaschutz zu setzen.
energate: Welche weiteren Schritte sind geplant?
Kuhlmann: Um den Markthochlauf in Deutschland zu unterstützen, wird die Initiative in den kommenden Wochen und Monaten neben den politischen Empfehlungen weitere Publikationen und Zwischenergebnisse aus den aktuellen Arbeitsschwerpunkten Herkunftsnachweise und Zertifizierung, Finanzierung, Vertragswesen sowie Abnahmestrategien vorlegen. Zudem findet am 14. Dezember unsere erste Jahreskonferenz statt, die allen Marktakteuren einen praxisnahen und zukunftsgerichteten Austausch ermöglicht.
energate: Wie nehmen Sie die aktuelle Marktentwicklung grundsätzlich wahr? Hat der deutsche Markt für PPAs inzwischen ein Reife erreicht oder bewegen wir uns nach wie vor im Frühstadium?
Kuhlmann: Zwar befindet sich der PPA-Markt im Hochlauf, ist aber nach wie vor im Frühstadium. Erste Offtaker decken sich mit grünem Strom aus PPAs ein und ein Großteil der Energieunternehmen etabliert momentan PPA-Produkte in ihrem Portfolio. Im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn ist die Marktentwicklung aber noch verhalten. Damit der PPA-Markt aus der Entwicklungsphase herauswachsen kann, muss die Politik regulatorische Hemmnisse beseitigen. Häufig fehlen Unternehmen spezifische Informationen rund um das jeweilige Geschäftsmodell. Das zeigt auch die neue Ausgabe unserer Umfrage zum Status und den Perspektiven von PPAs in Deutschland. Genau hier setzen wir mit der Initiative an.
energate: Zuletzt sind die Strompreise im Großhandel deutlich gestiegen. Inwiefern spielt das Ihren Beobachtungen zufolge in den PPA-Markt hinein?
Kuhlmann: Aktuell kämpfen viele Unternehmen mit den steigenden Energiekosten. Um auf internationalen Märkten bestehen zu können, benötigen sie langfristig stabile und niedrige Strompreise. Das spiegelt sich im PPA-Markt wider, denn PPAs auf Basis erneuerbarer Energien schützen Unternehmen vor Preisschwankungen.
energate: In Ihrem Positionspapier fordern Sie unter anderem ein Ausbauziel für ungeförderte Erneuerbarenanlagen. Wozu?
Kuhlmann: Die EEG-Förderung wurde eingeführt, um erneuerbare Energien wettbewerbsfähig zu machen. Heute sind viele Technologien in vielen Segmenten und Anwendungsfeldern konkurrenzfähig. So richtig es ist, den schnelleren und breiten Ausbau erneuerbarer Energien über eine Erhöhung der Ausbaumengen im EEG zu adressieren, so wichtig ist es gleichzeitig staatliche Förderung über das EEG und den marktgetriebenen Zubau komplementär zu denken. Ein Ausbauziel für PPA-Anlagen in Deutschland würde die Politik verpflichten, den richtigen Rahmen für Green PPAs zu setzen und die EEG-Förderung auf Bereiche zu fokussieren, in denen PPAs unter aktuellen Marktbedingungen noch keine zusätzlichen Investitionen in die Energiewende ermöglichen können.
energate: Welche zentralen Maßnahmen sollte die künftige Bundesregierung überdies ergreifen, um den PPA-Markt zu entfesseln?
Kuhlmann: Insgesamt hat die Marktinitiative in ihrem Positionspapier 15 kurz- und mittelfristige Maßnahmen vorgeschlagen. Neben der allgemeinen Forderung einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und die Festlegung verbindlicher Flächenziele auf Landesebene sehen wir unter anderem mehrere kurzfristige Hebel, um den PPA Markt in Deutschland zu beleben: Insbesondere die nationale Förderrichtlinie zur Strompreiskompensation sollte an die geltenden EU-Vorgaben angepasst werden. So sollte klargestellt werden, dass energieintensive Unternehmen auch bei einem direkten Grünstrombezug Anspruch auf die Kompensation haben.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Absenkung der EEG-Umlage auf null, wie sie die neue Koalition auch umsetzen will: Das wird zu einer verstärkten direkten Nutzung von Strom bei Industrie und Gewerbe führen. Volkswirtschaftlich betrachtet, wird das gleichzeitig die administrativen Aufwände reduzieren. Mit Blick auf die zulässige Länge von PPA-Verträgen sollte ausgehend vom Wettbewerbsrecht geprüft und klargestellt werden, wie lange PPA-Verträge geschlossen werden dürfen.
Zu den mittelfristigen Maßnahmen zählt, Mehrpersonenmodelle - wie bereits in der RED II gefordert - inklusive Direktlieferungen auf dem Werksgelände als On-Site-PPAs der Eigenversorgung gleichzustellen. Ein weiterer Anreiz kann mittelfristig über die Ausgestaltung der Stromsteuer gesetzt werden. Angesichts der geplanten Anpassung der European Tax Directive (ETD) sollte die Steuer für Strom aus Erneuerbarenanlagen auf das zulässige Minimum abgesenkt werden.
Zudem sollte das System der Herkunftsnachweise so ausgestaltet werden, dass Unternehmen mit einer höheren Stromnachfrage auch Herkunftsnachweise entwerten können, um besser die Anforderungen der Nachhaltigkeitserstattung erfüllen zu können. Außerdem sollten überall dort risikominimierende Instrumente eingeführt werden, wo marktliche Absicherungen nicht ausreichen. Weitere Maßnahmen betreffen virtuelle PPAs und notwendige Anpassungen im KWG sowie die Förderung nachfragegetriebener Pooling-Modelle für Unternehmen mit mehreren Standorten oder kleinere Stromnachfrager.
Das Interview führte Rouben Bathke.