Wien/Graz (energate) - Großthermische Speicher tief in der Erde könnten bald eine wichtige Lösung bei der Fernwärmeversorgung werden: Sie bieten Möglichkeiten bei der saisonalen Speicherung von Erneuerbaren. In Österreich arbeitet ein breit aufgestelltes Konsortium aus Industrie und Forschung daran, wie solche Konstruktionen hierzulande aussehen könnten. Bei diesem Forschungsprojekt "Gigates" unter der Leitung des steirischen Instituts AEE Intec beteiligen sich 18 Partner, darunter die Versorger Wien Energie und Salzburg AG, die Baukonzerne Porr und Bilfinger, der Kunststoffkonzern Lenzing und die Universitäten Linz und Innsbruck. Das Ziel des Vorhabens im Auftrag des Klimafonds ist es, saisonale "Gigaspeicher" mit einem Volumen von mehr als einer Mio. Kubikmetern zu bauen, so Projektleiter Wim van Helden (energate berichtete).
Fünf freistehende Großspeicher in Österreich in Betrieb
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In Österreich stehen heute fünf Großwärmespeicher in Timelkam, Linz, Salzburg, Wien und Theiss. Letzterer ist der größte unter ihnen, wird betrieben von der EVN und misst 50.000 Kubikmeter. Diese Speicher sind, vereinfacht ausgedrückt, riesige freistehende Stahltanks. "Bei weitaus größeren Volumina bieten sich Erdbeckenspeicher an", erklärte dazu Maria Moser, Forscherin beim Grazer Unternehmen Solar Energy Systems (Solid), das bei "Gigates" an der Entwicklung beteiligt ist. Solche Anlagen bestehen aus einer Grube, einem sie umringenden Damm, einer Isolierung und einer schwimmenden Abdeckung. Ein Vorreiter bei Erdbeckenspeichern in Europa ist Dänemark, wo seit 2010 mehrere große und kommerziell erfolgreiche Projekte entwickelt wurden. "Diese Speicher haben heute Volumina von 75.000 Kubikmetern und sie erhöhen den Solaranteil in den Fernwärmenetzen in ihren Bereichen auf 35 bis 60 Prozent", so Moser dazu.
Besondere Rahmenbedingungen in Dänemark
Entscheidend für den Erfolg der Anlagen sei jedoch eine Reihe von besonderen Bedingungen in Dänemark: Zum einen relativ niedrige Netztemperaturen bei der Fernwärme mit einem Vorlauf zwischen 70 und 80 Grad und einem Rücklauf von etwa 40 Grad, außerdem eine viel höhere Besteuerung fossiler Brennstoffe und strenge Regeln bei den Preisen für Bauland: "Die Landnutzung ist behördlich geregelt, für Projekte, die der Gemeinschaft dienen, gibt es vorgeschriebene Maximalpreise", so Moser. Auch das aus Sand und Lehm bestehende Erdreich sowie der deutlich tiefere Grundwasserspiegel seien günstigere Bedingungen als in Österreich. In der Stadt Meldorf jedenfalls, im hohen Norden Deutschlands, hat der örtliche Versorger Wimeg gerade einen solchen Erdbeckenspeicher in Auftrag gegeben, der an eine benachbarte Druckerei, ein BHKW und Gaskessel angeschlossen ist. Die Anlage ist in Bau und soll 2022 fertig sein.
"Gigates": Weiterentwicklung für Österreich
Ein zentrales Ziel von "Gigates" ist es, die Technologie weiterzuentwickeln und an österreichische Gegebenheiten anzupassen. "Wir streben sehr hohe Temperaturen an, bis zu 100 Grad, weil wir bei der Fernwärme Kraftwerke ersetzen und damit Großstädte versorgen wollen", erklärte dazu Christoph Muser, Geschäftsführer des Wiener Ziviltechnikbüros Step ZT. Ein weiteres Ziel ist es, sehr viel tiefer zu bauen als bei den bestehenden Erdbeckenspeichern, um Volumina von über einer Mio. Kubikmetern zu erreichen und in urbanen Regionen Platz zu sparen. "Das bedeutet, dass wir im Grundwasser bauen müssen, und das bringt wiederum große Herausforderungen bei der Abdichtung und der Isolation mit sich", so Muser. Im Rahmen des Projekts entwickelten die Beteiligten bisher die patentierte Anwendung einer Dämmbohrpfahlwand. Das Neue: Diese Trennwand in die Tiefe wird nicht wie üblich mit Beton, sondern mit dem gut dämmenden Glasschaumschotter verfüllt. Zugleich wollen die Beteiligten auch erreichen, dass die Abdeckung des Speicherbeckens nutzbar ist, etwa für Solaranlagen, Grünflächen, Gewächshäuser oder für einen Parkplatz. Die Antwort darauf war ein auf Pontons schwimmender Deckel, der ebenfalls als Patent angemeldet wurde.
Ein weiter Weg zum Prototypenstatus
Das dreieinhalb Jahre dauernde Forschungsprojekt ist seit Ende August 2021 abgeschlossen, allerdings braucht es bis zum Prototypenstatus noch weitere Entwicklungen. Auch sei es schwierig, Angaben zu den Kosten zu machen, hieß es bei einer Informationsveranstaltung des AEE Intec. In den kommenden Monaten soll die Auswertung der Daten unter Beteiligung von 21 europäischen Instituten weitergehen. /pm