München (energate) - Die britische Octopus Energy hat schnell am Strommarkt in Deutschland Fuß gefasst. Als Grundlage dafür diente den Briten das Münchner Start-up "4hundred". Unternehmensgründer Andrew Mack ist heute CEO von Octopus Energy Germany. Im Rahmen unserer Interview-Reihe "Gestalter der Energiewelt 4.0" sprach er mit Thorsten Marquardt, Associate Partner bei Get Ahead Executive Search, über "seinen Beitrag" zur Energiewelt 4.0, seine Motivation als Gründer eines Ökostrom-Start-ups und warum er dabei den Schulterschluss mit Branchengrößen wie Eon und Octopus Energy suchte.
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Get Ahead: Was ist an Octopus und Ihrem Geschäftsmodell so spannend und was ist Ihr Beitrag zur Energiewelt 4.0?
Mack: Wir haben mit "Kraken" eine Technologie-Plattform entwickelt, mit der wir einen Großteil der Prozesskette automatisieren. So können wir mit wesentlich kleineren Teams agieren, haben weniger Kosten und sind effizienter. Zudem kann „Kraken“ komplexe Echtzeittarife managen. Diesen Tarifen gehört die Zukunft, weil sie das schwankende Angebot von erneuerbaren Energien und den Kundenbedarf besser in Einklang bringen. Und wir können saubere Energie zu besseren Preisen anbieten.
Get Ahead: Sie haben selbst ein Energy-Startup gegründet und sind nun Deutschland-Chef von Octopus Energy. Wie kam es dazu?
Mack: 2019, also drei Jahre nach der Gründung meines Startups "4hundred", lernte ich Greg [Anm. d. Red.: Greg Jackson, Gründer und CEO der Octopus Energy Group] kennen und erzählte ihm von meinem Business und unserer Investorensuche. Es war verblüffend, wie ähnlich die Vision, mit der wir "4hundred" gegründet hatten, der von Octopus war. Es drehte sich alles um den Kunden, um Transparenz und Fairness. Im Grunde ging und geht es darum, etwas Gutes für das Klima zu tun, um den Klimawandel zu bekämpfen. Es geht aber auch um soziale Gerechtigkeit. Als wir unsere Geschäftsmodelle verstanden hatten, war es nur folgerichtig, gemeinsame Sache zu machen und "4hundred" ist nun unter Octopus-Flagge auf dem deutschen Markt.
Get Ahead: Was waren die größten Hürden, die Sie überwinden mussten?
Mack: Etwas aufzubauen, das sich über die Märkte hinweg skalieren lässt, damit es wirklich funktioniert und wir unsere ehrgeizigen Expansionsziele erreichen können. Wie skaliert man Menschen, Prozesse und digitale Technologie über viele internationale (Energie-)Märkte hinweg, die sehr unterschiedliche Strukturen haben?
Get Ahead: Octopus Energy soll "etwas Gutes" fürs Klima bewirken. Was verbinden Sie für sich mit dem Anspruch?
Mack: Ich bin auf einem Bio-Bauernhof aufgewachsen, in einer Zeit, als Bio noch als merkwürdig und hippiemäßig galt. Natur und Umwelt hatten schon immer einen wichtigen Platz in meinem Leben, was mich letztlich auch zu den erneuerbaren Energien führte. Für mich war das keine neue Entdeckung. Wir hatten schon Ende der Achtziger, Anfang der Neunzigerjahre eine Windturbine und Sonnenkollektoren auf unserem Hof. Mit Tieren groß zu werden, hat mich Respekt vor der Natur gelehrt, aber auch Respekt vor meinem Umfeld und den Menschen um mich herum. Ich empfinde ein Gefühl der Fürsorge, und das manifestiert sich in den Zielen, den Klimawandel zu bekämpfen und gegen soziale Ungerechtigkeit vorzugehen.
Ich lebe heute in Starnberg und nicht in München, denn meine beiden Kinder sollen einen Garten, Tiere und die Freiheit haben, Rad zu fahren und zu schwimmen - all die Dinge, die ich als Kind geliebt habe.
Get Ahead: Wo liegt ihre Motivation als Unternehmensgründer in der Energiewirtschaft? Manch einer mag annehmen, dass Sie dieses Business machen, um möglichst schnell Geld zu verdienen und dann zu verkaufen?
Mack: Ich war schon immer offen für neue Erfahrungen und Risiken. Kürzlich las ich etwas von Mark Cavendish [Anm. Red.: Radprofi], das mir sehr gefiel. Als einer der erfolgreichsten Sprinter der Tour de France sagte er: "Dieses Rennen hat mir mein Leben gegeben. Und ich habe der Tour mein Leben gegeben." So denke ich auch über die Unternehmensgründung. Ich bin in ein anderes Land gezogen, habe die Sprache gewechselt und habe meine Ersparnisse investiert. Man kann so etwas nicht halbherzig machen. Ich habe das Gefühl, alles gegeben zu haben, aber im Gegenzug bekomme ich enorm viel zurück. Das ist ein tolles Gefühl! Ich möchte etwas tun, an das ich wirklich glaube und etwas bewirken. Es geht mir um Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit.
Get Ahead: Gab es auch Momente, in denen Sie aufgeben wollten?
Mack: Es gab sehr stressige Momente. Ich war nicht blindlings optimistisch. Ich habe das Risiko gesehen. Aber ich bin ziemlich ausdauernd. Aufgeben wollte ich nie. Wenn ich Risiken eingehe oder etwas tue, das mir Angst macht, frage ich mich, was im schlimmsten Fall passieren kann. In diesem Fall ist das Schlimmste, dass das Unternehmen scheitert. Ich würde also wieder bei null anfangen, mir einen Job suchen, einige Jahre lang für jemand anderen arbeiten und wieder auf die Beine kommen. Vielleicht wieder von vorne anfangen, vielleicht auch nicht.
Get Ahead: Wie bewahren Sie sich Ihre Resilienz?
Mack: Resilienz ist etwas Großartiges und auch etwas, worauf wir achten, wenn wir Mitarbeiter einstellen. Es gibt noch immer große Höhen und Tiefen, und das wird auch so bleiben. Deshalb ist es wichtig, Resilienz zu erhalten und sich mit anderen belastbaren Menschen zu umgeben, die einem durch schwierige Zeiten helfen. Wir haben aber auch bei Octopus Energy eine ganz besondere Unternehmenskultur, das spiegeln mir die Mitarbeiter wider. Sie ist geprägt von gegenseitiger Hilfsbereitschaft, Positivität und einer Hands-on-Mentalität. Wenn zum Beispiel das Team aus dem Customer Service gerade in einer Flut an Anfragen unterzugehen droht, dann heißt es "all hands on deck" und Kollegen aus anderen Abteilungen springen mit ein.
Get Ahead: Wie wollen Sie diese Dynamik und diesen Spirit im Unternehmen beibehalten?
Mack: Unternehmenskultur, die Art und Weise, wie sich Leute verhalten und arbeiten, wird von der Unternehmensspitze geprägt. Für mich geht es also darum, meine Leidenschaft und meinen Enthusiasmus im Vorleben zu vermitteln und auszudrücken, wie stolz ich auf unsere 70 Mitarbeiter bin. Ich schätze, dass jeder mit Herzblut dabei ist. Wir sind ein wertegetriebenes Business und viele der Kollegen setzen sich auch privat für Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein. Und dann leben wir sehr flache Hierarchien. Jeder aus dem Management-Team ist nur eine Slack-Nachricht entfernt für jeden Mitarbeiter. Wir schätzen Feedback und Wertschätzung und feiern gemeinsame Erfolge im zweiwöchentlich stattfindenden globalen Family Dinner, wie wir das Company-Meeting nennen.
Get Ahead: Wie würden Sie Ihren persönlichen Führungsstil beschreiben?
Mack: Ich gebe Menschen gern viel Verantwortung und Freiraum. Ich habe mich damals bei der Gründung von "4hundred" bewusst für einen Microservices-Ansatz entschieden - nicht nur in Bezug auf die Technologie, die wir entwickelt haben, sondern auch auf die Teams. Das heißt, es gab viele kleine, autonome Einheiten mit einem gemeinsamen Ziel und einer guten Kommunikation untereinander. Das passte wunderbar zu Octopus, die in UK auch in Teams aufgeteilt und wie kleine Energieunternehmen für einen Pool von Kunden zuständig sind. Ich möchte Mitarbeitern Freiheit geben, die Dinge selbst zu gestalten. Dazu braucht es einen bestimmten Typus Mensch. Er muss belastbar sein, aber auch mit vielen Unklarheiten und einem Mangel an Struktur zurechtkommen. Eigenverantwortung ist etwas, das bei uns sehr großgeschrieben wird. Das passt nicht zu jedem. Für die richtigen Leute aber, ist es sehr motivierend.
Get Ahead: Warum tun Sie sich mit den etablierten Unternehmen zusammen, gegen die sie mit Ihrem Unternehmen ursprünglich am Markt anarbeiten wollten?
Mack: Das hat immer unterschiedliche Gründe. Origin beispielsweise hat über Jahre einen Partner gesucht, der ihnen bei der Transformation ihres Geschäfts hilft. Dieser etablierte Anbieter hat erkannt, dass sich die Welt verändert und dass sich auch die Unternehmen radikal ändern müssen. Das funktioniert nicht ohne Hilfe und ohne eine andere Denkweise. Die hat Origin bei Octopus gefunden. Uns wiederum gibt die Zusammenarbeit mehr Schlagkraft und die Möglichkeit, viel schneller global zu expandieren. Uns geht es um die Sache an sich. Beim Klimaschutz bleibt uns nur noch ein kleines Fenster, um das Ruder herumzureißen. Und je mehr Firmen wir mit unserer Software-Plattform dabei unterstützen können, noch schneller, noch effizienter und grüner zu werden, umso besser.
Bei Eon hatten wir die Chance zu beweisen, dass unsere Technologie hält, was wir versprechen. Es ist eine Sache, sie für das eigene Unternehmen zu nutzen, für eine gute Sache einzusetzen und positives Kunden-Feedback zu erhalten. Doch damit ein Unternehmen wie Eon zu transformieren ist etwas ganz anderes! Eon benötigte in UK eine Lösung für N-Power, die sich zu dem Zeitpunkt in einer schwierigen Situation befanden. Das hat sehr gut funktioniert und der Vorstandsvorsitzende hat öffentlich einige sehr nette Dinge über die Partnerschaft mit Octopus gesagt. Das Feedback der Kunden und die Kundenrezensionen sind fantastisch, seit sie zu Octopus gewechselt sind.
Get Ahead: Was ist Ihre Botschaft an den Energiemarkt? Was möchten Sie anderen Marktteilnehmern etwa in Bezug auf Führungsstil mit auf den Weg geben?
Mack: Der Energiemarkt verändert sich schneller, als es einige dieser Unternehmen tun können. Manchen von ihnen ist das bewusst, anderen nicht. Wie bei Eon, Origin und Tokyo Gas in Japan können wir eine positive Kraft sein, die großen Playern hilft, sich zu transformieren. Wir sehen darin einen echten Mehrwert, denn letztlich hilft es, die Dinge voranzubringen, an die wir glauben! Es hilft dabei, die Reaktion auf den Klimawandel zu beschleunigen und die Kosten in der Energiewirtschaft zu senken, was bedeutet, dass die Bürger weniger zahlen müssen. Wenn wir Eon in UK helfen, effizienter zu werden, bedeutet das, dass die Kunden niedrigere Rechnungen haben, was fantastisch ist! Wir müssen dafür sorgen, dass die nächste Generation von erfolgreichen Unternehmen eine ist, die Gutes tut. Unternehmen, die das nicht tun oder tun können, werden vermutlich nicht erfolgreich sein.
Das Interview führte Thorsten Marquardt, Associate Partner bei Get Ahead Executive Search, im Rahmen der Serie "Gestalter der Energiewelt 4.0" für energate.