Wien/Hamburg (energate) - Mit Ende Mai erfolgt am österreichischen Energiemarkt die Umstellung auf das neue Nachrichtenprotokoll AS4. Warum das neue Protokoll die Kommunikation unter den Teilnehmern nicht nur sicherer, sondern auch schneller macht, erklärte Ponton-Geschäftsführer Michael Merz im Interview.
energate: Herr Merz, wieso ist ein einheitliches Kommunikationsprotokoll im Energiebereich sinnvoll?
Merz: Wenn alle Teilnehmer an einem übergreifenden Geschäftsprozess - technisch gesehen - die gleiche Sprache sprechen, hat dies folgende Vorteile: Das Onboarding ist vereinfacht, indem sich ein neuer Teilnehmer sofort mit allen anderen integrieren kann und durch das identische Setup der Datenaustausch-Partner können neue Versionen der Software oder der Datenformate einheitlich ausgerollt werden. Dies reduziert nicht nur Kosten, sondern mindert auch Risiken. Beim österreichischen EDA-Standard (Energiewirtschaftlicher Datenaustausch) für die Marktkommunikation gilt die Devise: "Ein Dokumentenformat, ein Geschäftsprozess, ein Kommunikationsprotokoll". Durch die strikte Einhaltung bei allen Teilnehmern gelangt kein kommunikativer "Sand ins Getriebe", das heißt die Interoperabilität wird maximiert.
energate: Was wird sich mit der Änderung vom derzeitigen Format ebMS 2.0 auf AS4 ändern?
Merz: Seit 2012 kommt in Österreich das Protokoll ebMS 2.0 bei der EDA-Infrastruktur zum Einsatz, das gegenüber E-Mail, SFTP oder auch REST-APIs erheblich sicherer ist, weil es die Verschlüsselung und Authentifizierung von Nachrichten "Ende-zu-Ende" auf Dokumentenebene ermöglicht. AS4 baut auf einer späteren Version von ebMS 2.0 auf. Die bei allen EDA-Teilnehmern eingesetzte Software verfügt bereits über eine AS4-Funktion, daher ist die branchenweite Umstellung nicht aufwendig - es wird in den digitalisierten Datenaustauschvereinbarungen lediglich von einem Kommunikationsprotokoll auf ein anderes umgeschaltet. Übrigens ist auch die Umschaltung auf neuere Versionen des EDA-Standards sehr viel einfacher als in Deutschland: Jeder Teilnehmer kann konfigurieren, welche Version des Standards er unterstützt und welche veralteten er ablehnt. Will nun ein Partner diesem eine Nachricht mit einer nicht-unterstützten Version senden, wird sie gleich an der Quelle zurückgewiesen.
energate: Welche Rolle spielt Ihre eigene Software Ponton X/P bei der Umstellung?
Merz: Ponton X/P nutzt AS4 bereits seit 2015, als der Gas-Network-Code durch die Europäische Kommission eingeführt wurde. Verschiedene Kunden setzten damals unsere Software ein, um beispielsweise Nominierungen an Gas-Übertragungsnetzbetreiber zu übertragen. In Österreich ist es nun vorteilhaft, das Nützliche mit dem regulatorisch Erforderlichen zu verbinden, indem zukünftig alle Prozesse der Marktkommunikation auf AS4 aufsetzen. Auch aufgrund dieser Migrationsmöglichkeit hat sich im letzten Jahr die österreichische Energiewirtschaft entschieden, weiterhin unsere Software einzusetzen. Im weiteren Sinne erstreckt sich die durch Ponton geförderte Standardisierung von EDA über die technische Ebene hinaus: Auch die organisatorisch-juristische Vereinheitlichung des Datenaustausches hilft, die Gesamtkosten der Kommunikation zu minimieren. So wird nicht nur das Onboarding beschleunigt, sondern auch ganz operativ der Lieferantenwechsel: Über 99 Prozent der Prozesse werden in weniger als einer Minute vollautomatisch durchgeführt.
energate: Welche weiteren Änderungen erwarten Sie zukünftig in diesem Bereich?
Merz: Bereits heute unterstützt EDA die Marktkommunikation von Energiegemeinschaften. In Zukunft gilt dies auch für datenschutzrechtlich begründete Zustimmungsprozesse. Die Methodik ist hierbei eine andere als in Deutschland: In Österreich wurde mit EDA eine einzige Infrastruktur errichtet, auf die diverse Prozesse der Marktkommunikation aufsetzen. In Deutschland ist es der Implementierung eines jeden einzelnen Prozesses überlassen, wie der Datenaustausch durchgeführt werden soll. So kommt es zu E-Mail und Edifact beim Lieferantenwechsel und einer REST-Schnittstelle in Verbindung mit JSON bei Redispatch 2.0. Interoperabilität muss hierbei immer wieder mit viel Aufwand neu hergestellt werden. In Österreich ist diese "eh da". So können sich die Gremien auf die fachlichen Inhalte konzentrieren und schreiten bei der Umsetzung schneller voran. An diesem Erfolg könnten auch Nachbarländer anknüpfen, wenn diese ebenfalls ein solches "Interoperability first"-Konzept verfolgten.
Die Fragen stellte Alexander Fuchssteiner