Essen (energate) - Der Essener Energiekonzern RWE will in Brunsbüttel zusätzlich ein Terminal für grünen Ammoniak errichten. Ab 2026 sollen über das Terminal rund 300.000 Tonnen grüner Ammoniak im Jahr nach Deutschland kommen, perspektivisch soll die Menge auf 2 Mio. Tonnen steigen. Die neue Anlage werde in unmittelbarer Nähe zum geplanten LNG-Terminal entstehen, teilte RWE mit. Am 6. März hatte das Unternehmen gemeinsam mit dem niederländischen Infrastrukturbetreiber Gasunie die Absichtserklärung für das LNG-Terminal in Schleswig-Holstein unterzeichnet. Für eine schnellere Realisierung war auch die Bundesregierung über die staatliche Förderbank KFW mit 50 Prozent in das Projekt eingestiegen, für das seit über zehn Jahren die Planungen laufen (energate berichtete).
Cracker im Großmaßstab geplant
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Mit seinem direkten Zugang zu Nord- und Ostsee und dem Anschluss an europäische Binnenwasserwege biete der Standort Brunsbüttel ideale logistische Bedingungen, hieß es. Schon im vergangenen Jahr hatte RWE angekündigt, einen Wasserstoffhandel mit Australien anzustreben und für den Import Brunsbüttel ins Auge gefasst (energate berichtete). In einem weiteren Schritt ist an dem Terminal ein Cracker in großindustriellem Maßstab geplant, um aus dem Derivat grünen Wasserstoff zu produzieren. Eine eigene H2-Pipeline soll diesen zu industriellen Abnehmern transportieren. Mit dieser Ausbaustufe soll auch die Menge des importierten Ammoniaks steigen. Der Hafenbetreiber Brunsbüttel Ports wird das Vorhaben mit Flächen sowie als Logistikpartner mit Hafeninfrastruktur zur Entladung der Tankschiffe unterstützen.
Ammoniak für mehr Energieunabhängigkeit
RWE rechnet mit Investitionen im "mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich" für das Gesamtvorhaben. Die Pläne unterstrichen den Anspruch, als Anteilseigner des LNG-Terminals "ein besonderes Augenmerk auf dessen grüne Umrüstung" zu legen, hieß es vonseiten des Essener Konzerns. Nun gelte es, vor allem vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der Abkehr von russischen Energielieferungen, den Plänen auch möglichst zügig Taten folgen zu lassen. Voraussetzung dafür seien etwa vereinfachte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine kurze Bauphase. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat mehr als deutlich gemacht, dass wir von russischen Energieimporten unabhängig werden müssen. Das LNG-Terminal in Brunsbüttel ist hierfür ein wichtiger Baustein, denn es erweitert unsere Importmöglichkeiten", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck dazu. Jetzt komme mit dem Ammoniakterminal ein zweites zentrales Vorhaben hinzu, so Habeck. Ammoniak ist unter anderem einer der häufigsten Grundstoffe der chemischen Industrie. Mehr als 125 Mio. Tonnen werden jährlich weltweit hergestellt und global verschifft. Als Derivat hat Ammoniak gegenüber der molekularen Verwendung von Wasserstoff etwa den Vorteil, dass er sich effizienter und kostengünstiger speichern und transportieren lässt.
DUH sieht weiterhin Standortprobleme
Die Deutsche Umwelthilfe nennt noch viele offene Fragen, insbesondere bei der nachhaltigen Herkunft des Ammoniaks. "Im Gegensatz zu den rein fossilen Plänen für die geplanten Flüssigerdgas-Terminals in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven, bieten die Pläne von RWE die Chance, einen sinnvollen Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie zu leisten. Damit das klappt, braucht es jetzt ein Gesamtkonzept zum Import des grünen Ammoniaks", forderte DUH-Abteilungsleiter Constantin Zerger. Woher die Mengen kommen sollen und wie Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden können, müsse RWE noch beantworten. Ein Problem hat die DUH aber weiterhin mit dem Standort: Die Ansiedlung eines weiteren Störfallbetriebs in Brunsbüttel neben den bestehenden atomaren Anlagen und dem geplanten LNG-Terminal sei nicht möglich. /ml