Berlin (energate) - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Er forderte Unternehmen und Verbraucher dazu auf, möglichst sparsam mit Gas umzugehen. Der Schritt ist eine Reaktion auf die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Gaslieferungen nur noch gegen Zahlung in Rubel zu akzeptieren. Habeck hatte bereits erklärt, auf die Forderungen Russlands nicht einzugehen, da dies einen einseitigen Vertragsbruch darstelle (energate berichtete). Die russische Regierung hat den Unternehmen bis zum 31. März Zeit gegeben, die Änderungen umzusetzen.
"Wir gehen diesen Schritt, weil morgen Gesetzesänderungen in Moskau zu erwarten sind", sagte Habeck jetzt. Er sprach von einer "präventiven Maßnahme". Am Abend teilte die Bundesregierung mit, der russische Präsident habe Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Telefonat erläutert, er werde ein Gesetz erlassen, wonach Gaslieferungen ab dem 1. April in Rubel zu begleichen seien. Für die europäischen Vertragspartner werde sich dadurch nichts ändern. Die Zahlungen würden weiterhin in Euro an die Gazprom-Bank überwiesen, die nicht von Sanktionen betroffen sei. Die Bank konvertiere dann das Geld in Rubel. Das Telefonat sei auf Wunsch von Wladimir Putin zustande gekommen. Olaf Scholz habe dem Verfahren nicht zugestimmt, sondern lediglich um schriftliche Informationen zum Verfahren gebeten, betonte ein Regierungssprecher. Es bleibe dabei, dass die G7-Vereinbarung gilt, wonach Energielieferungen ausschließlich in Euro oder Dollar bezahlt werden.
Noch nicht die Zeit für Markteingriffe
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Die Energiewirtschaft hatte die Ausrufung der ersten Stufe des Notfallplans schon länger gefordert (energate berichtete). In der Frühwarnstufe des Notfallplans Gas sind insbesondere die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) gefragt. Sie geben in Abstimmung mit dem Marktgebietsverantwortlichen mindestens einmal täglich Lageeinschätzungen zu den Gasflüssen an das Ministerium heraus (energate berichtete). Zudem nimmt in der Frühwarnstufe ein eigens eingerichtetes Krisenteam im Wirtschaftsministerium die Arbeit auf, das täglich tagt. "Die Verantwortung liegt jetzt bei den Gasversorgern. Die Zeit für Markteingriffe ist noch nicht gekommen", sagte Habeck.
Aus Moskau hieß es am Mittwoch, die Auflage, für Gaslieferungen in Rubel zu bezahlen, werde schrittweise erfolgen, also nicht zwangsweise ab dem 1. April. Ein Sprecher betonte allerdings, dass an der Absicht festgehalten werde. Auch für andere Rohstoffe wie Holz oder Getreide soll künftig gelten, dass sie in Rubel gezahlt werden müssen. Die Regierung in Moskau will mit der Maßnahme offenbar den Verfall der eigenen Währung infolge der Sanktionen abfedern, die wegen des russischen Angriffes auf die Ukraine in Kraft sind.
Keine Abschaltreihenfolge für ungeschützte Kunden
Damit die nächste Stufe im Notfallplan - die Alarmstufe - greift, müssen "gravierende Gasreduzierungen" festgestellt werden, darunter beispielsweise der Ausfall wichtiger Aufkommensquellen. Die Abläufe bleiben hier ähnlich, die EU-Kommission wird unterrichtet. Erst in der letzten Stufe - der Notfallstufe - treten die Bundesnetzagentur und die Bundesländer als hoheitlicher Lastverteiler auf, entscheiden also, welche Abnehmer Gas erhalten. Die Bundesnetzagentur bereitet sich auf dieses Szenario vor und verhandelt aktuell etwa mit Unternehmen, was im Falle einer Gasmangellage zu tun ist (energate berichtete).
Mögliche Abschaltungen seien Einzelfallentscheidungen, die von vielen Umständen abhingen, betont die Behörde in einem Papier, das energate vorliegt. Die Bundesnetzagentur bereite daher keine "abstrakte Abschalt-Reihenfolge" vor, heißt es darin. Klar ist: Private Haushalte und soziale oder medizinische Einrichtungen sind "geschützt" und erhalten so lange wie möglich Gas. Die Bundesnetzagentur hat zudem mit den Bundesländern einen Dialog zum "Krisenmanagement Gas" gestartet.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat derweil auch die europäischen Nachbarstaaten über den Schritt, die Ausrufung der Frühwarnstufe, informiert. Auch Italien und Lettland haben bereits die Frühwarnstufe bei der Gasversorgung gemäß der europäischen SOS-Verordnung ausgerufen. Wahrscheinlich ist, dass weitere Staaten folgen werden, da sie alle von der Forderung des Kremls nach Bezahlung in Rubel betroffen sind.
Versorgung aktuell gesichert
Noch fließt russisches Gas nach Deutschland. Wirtschaftsminister Habeck betonte entsprechend, aktuell sei die Versorgung gesichert, die Gasspeicher seien zu gut 25 Prozent gefüllt. Deutschland erhalte zudem Gaslieferungen über die Niederlande, Belgien und Frankreich. Bis zum Winter sollen alle Gasspeicher wieder befüllt werden (energate berichtete). Wie lange die Versorgung bei einem tatsächlichen Lieferstopp aus Russland gesichert wäre, lässt sich laut Habeck nicht pauschal beantworten. "Das hängt von Witterung und vom Verbrauch ab." Er rief daher Unternehmen und Verbraucher auf, möglichst sparsam mit Gas umzugehen. Er betonte, ein tatsächlicher Lieferstopp werde Folgen haben, etwa beim Preis. Es sei dann auch mit Einschränkungen der Versorgung zu rechnen.
Eine vom BDEW beauftragte Analyse hatte kürzlich ergeben, dass sich aktuell mit einem Einsatz anderer Energieträger sowie Einsparmaßnahmen maximal 50 Prozent der russischen Gaslieferungen ersetzen lassen (energate berichtete). Laut Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums wird es frühestens im Jahr 2024 möglich sein, nahezu komplett auf russische Energieimporte zu verzichten (energate berichtete). /kw