Berlin (energate) - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich enttäuscht über das nur zum Teil verhängte europäische Ölembargo gegen Russland gezeigt. Scharfe Kritik übte er am ungarischen Regierungschef Viktor Orban, der einen schärferen Einfuhrstopp verhindert hatte. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich nach mehrstündigen Verhandlungen darauf geeinigt, zunächst nur russische Öllieferungen per Schiff mit einem Einfuhrverbot zu belegen. Sanktionen gegen Pipeline-Importe hatte vor allem Ungarn verhindert, da das Land nur per Leitung Öl erhält (energate berichtete). "Ich bin nicht glücklich darüber", sagte Minister Habeck bei einer Tagung des CDU-Wirtschaftsrats. Er sprach von einem "Gewürge" um das jüngste Sanktionspaket, das die bisherige europäische Einheit gegenüber Russland beschädigt habe. Der ungarische Regierungschef habe "ruchlos" und nur für seine eigenen Interessen agiert, kritisierte Habeck. Damit äußerte er sich deutlich klarer als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der zum Auftakt des EU-Gipfels dafür geworben hatte, für eine Einigung beim Ölembargo die Interessen der EU-Staaten zu berücksichtigen.
Ob Ungarn, wie gefordert, Millionen aus Brüssel für die Umrüstung seiner Raffinerien bekommt, ist darüber hinaus offen. Der Kompromiss könnte am 1. Juni beschlossen werden. Neben Ungarn dürfen auch Tschechien und die Slowakei weiter Öl über die "Druschba"-Pipeline aus Russland beziehen. Für den Notfall soll Ungarn über die Adria-Pipeline Lieferungen erhalten. Deutschland und Polen halten daran fest, bis Ende 2021 kein Öl mehr aus Russland zu nutzen. Aktuell laufen Gespräche, die Raffinerie in Schwedt (Brandenburg) umzustellen. Insgesamt sind damit 90 Prozent der russischen Erdölexporte in die EU vom Embargo erfasst. "Wir werden uns in Kürze erneut mit der Frage der verbleibenden 10 Prozent Pipeline-Öl befassen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach den Verhandlungen. Dabei werde es auch um die Frage gehen, wie lange die beschlossene Ausnahme befristet sein solle.
Ölpreis steigt
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Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte äußerte sich zufrieden über den Kompromiss: "Alles in Allem ist der in Ordnung." Die Niederlande hatten befürchtet, dass billiges Pipeline-Öl aus Russland den Wettbewerb in der EU verzerrt. Über den Hafen Rotterdam gelangen jährlich 100 Mio. Tonnen Tanker-Öl in die EU. Die Rohstoffhandelsbörsen haben schon auf das Teilembargo für russisches Öl mit Preissteigerungen reagiert. Der Preis für Nordseeöl der Sorte Brent stieg auf 123,32 US-Dollar je Barrel. Das waren 1,65 Dollar mehr als am Vortag. Für US-Öl der Sorte WTI wurden bis zu 118,54 US-Dollar bezahlt, ein Anstieg um 3,47 Dollar. Das ist der höchste Stand seit zwei Monaten.
Kein Gasembargo im 7. Sanktionspaket
Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer dämpfte indes Erwartungen, dass nach dem Beschluss zum Öl-Embargo auch ein ähnlicher Verzicht auf russisches Gas nahen könnte. Ein Gasembargo werde "kein Thema im nächsten Sanktionspaket“ sein. Das habe auch Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem EU-Gipfel klargestellt, so Nehammer. /kw/rl