Leipzig (energate) - Der Wunsch nach Autarkie in Kombination zu den explodierenden Energiepreisen lässt das Interesse an Speichersystemen derzeit regelrecht durch die Decke gehen. Seit 2018 hat der Leipziger Heimspeicherhersteller Senec seinen Umsatz um das Vierzehnfache gesteigert. Was eine noch schnellere Entwicklung derzeit hindert und warum die Mehrproduktion wahrscheinlich keine Skaleneffekte mit sich bringt, darüber sprach energate mit Thomas Augat, Kaufmännischer Geschäftsführer der EnBW-Tochter.
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energate: Der Einstieg von EnBW bei Senec erfolgte 2018. Wie bewerten Sie ihn vier Jahre später?
Augat: Die Entscheidung war damals mutig. Doch sie war richtig. Entscheidend ist, dass die Produkte der Senec mit PV und Speicher mit anderen Angeboten der EnBW insbesondere im Bereich der E-Mobilität zusammenwachsen und ein so für den Kunden attraktives Ökosystem entsteht. Das war die wesentliche Logik für den Erwerb der Senec, die sich heute als richtige Einschätzung erweist. Weiterhin ist der Speichermarkt ein Geschäftsfeld mit enormen Chancen. 2018 hatten wir einen Umsatz von 23 Mio. Euro und haben nun 2021 gut 330 Mio. Euro erreicht. Sie sehen schon allein an dieser Kennzahl wie stark sich das Speichergeschäft entwickelt hat.
energate: Wie erklären Sie diesen Sprung?
Augat: Die Gründe sind klar: Zum einen ist es die Elektrifizierung von Wärme und Verkehr, zum anderen die politischen Ziele zur CO2-Einsparung und natürlich das Streben der Verbraucher nach einer gewissen Autarkie bei der Energieversorgung. Auch wenn die Nachfrage ohne diesen Aspekt schon hoch war, hat der Krieg in der Ukraine und die aktuelle Beschaffungskrise mit den entsprechend hohen Energiepreisen diesen Effekt noch zusätzlich verstärkt. Das Thema Photovoltaik und Speicher hat sich mittlerweile von einem Spezialthema für Enthusiasten zu einem Thema für die breite Öffentlichkeit entwickelt.
energate: Bei der Produktionsmenge sollten eigentlich Skaleneffekte eintreten. Was sehen die Verbraucher davon?
Augat: Die Nachfrage nach Speichersystemen ist enorm gewachsen und für uns, aber auch für unsere Vertragspartner, Fachkräfte und die Wettbewerber ist es eine große Herausforderung, diese bedienen zu können. Es fehlt schlichtweg an Material. Die Ursache für diesen Zustand führe ich auf drei Aspekte zurück. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie wurden die Produktionskapazitäten heruntergefahren. Zur gleichen Zeit hat die Nachfrage nach elektronischen Bauteilen aber massiv zugelegt. Das fing an mit dem Homeoffice-Bedarf an Computern und neuem Handy und ging weiter mit dem Thema Elektroauto und eben Heimspeicher. Hinzu kamen "singuläre Ereignisse", wie ein Brand in einer Großfabrik in Japan, Lockdowns in Malaysia und andere erhebliche Störungen in den Lieferketten, insbesondere auf dem asiatischen Markt. Im Ergebnis ist die Bauteilverfügbarkeit für uns eine große Herausforderung, aber das gleiche gilt auch für viele andere Branchen.
energate: Die fehlenden Teile treiben den Preis eher nach oben. In welche Richtung bewegen wir uns nun preislich?
Augat: Ich hätte gerne eine andere Antwort parat, doch ich sehe in den nächsten Jahren keine Ansätze dafür, warum die Preise sinken sollen. Die Knappheitssituation wird noch weiter anhalten. Wie lange, hängt davon ab, über welche Bauteile wir reden und in welcher Menge. Für den Bau von Fabriken braucht man in der Regel etwa drei Jahre. Doch auch mit zunehmender Kapazität rechne ich mit keinen signifikanten Preissenkungen. Denn neben den Preiseffekten aus spezifischen Knappheiten werden derzeit auch das Rohmaterial und die Energie teurer. Auch die Containertransporte aus China für 1.800 US-Dollar werden wir lange nicht mehr sehen. Der Teuerungstrend ist an sich nicht fatal, denn aus Kundensicht steigt damit auch der wirtschaftliche Nutzen eines Speichers, wenn er ihn gegen die aktuellen Börsenpreise für Strom rechnet.
energate: Droht wegen der Ressourcenknappheit eine Stagnation?
Augat: Wir reden nicht über Stagnation, nicht mal ansatzweise. Die Produktionskapazitäten haben wir verdoppelt, wie auch den Umsatz. Wir hätten diese Kennzahlen vielleicht sogar verdreifachen können, doch die aktuelle Situation lässt das gerade nicht zu. Trotzdem haben wir es hier mit einem Megatrend zu tun. Und auch wenn es mit der Befriedigung der Nachfrage ein paar Jahre länger dauert als es das Angebot hergibt, ist es zwar eine Einschränkung des Wachstums. Doch der Megatrend besteht weiter und irgendwann sehen wir dann auch mehr auf der Angebotsseite.
energate: Wie bewerten Sie die Veränderungen des regulatorischen Rahmens für Ihr Geschäft?
Augat: Für unser Geschäft heute sind PV-Anlagen mit Speichern auf Einfamilienhäusern, also der private Hausbesitzer, zentral. Wesentliches Motiv für diese Kunden ist das Streben nach Autarkie. Die Wirtschaftlichkeit der Anlage ergibt sich aus den niedrigen Gestehungskosten der PV-Stromerzeugung im Vergleich zum Endkundenstrompreis. Grob gesagt ist unser wesentlicher Wunsch, dass der regulatorische Rahmen stabil bleibt, auch wenn es natürlich immer Ansatzpunkte für Verbesserungen und insbesondere Vereinfachungen gibt.
Aber: Wir haben in diesem Jahr einen PV-Zubau von etwa 7.000 MW. Laut Wirtschaftsminister Habeck brauchen wir wahrscheinlich 20.000 MW jährlich, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Das Thema Freiflächenanlagen wird es zwar immer geben. Meiner Meinung nach wird dieser Bereich nicht mehr als 20-30 Prozent der Zubauquote ausmachen. Es gibt auch noch viele Potenziale in Einfamilienhaus-Segment und im Gewerbebereich. Doch entscheidend für die Erreichung der Zubauziele wird die Mobilisierung des Potentials in den Quartieren und Mehrfamilienhäusern sein. Geeignete regulatorische Rahmenbedingungen wären dort, wo der Anlagenbetreiber nicht der Verbraucher ist, nicht nur wünschenswert, sondern zwingend notwendig. Der Wegfall der EEG-Umlage ist zwar hilfreich, reicht aber allein nicht aus, um diese Marktsegmente ausreichend anzukurbeln.
energate: Was bietet Senec neben den Speichern noch an?
Augat: Da wir uns nicht als Speicher-, sondern als Komplettanbieter verstehen, schauen wir uns breiter um. Denn für uns gehören Batteriespeicher, PV-Anlagen, Wärmepumpe und die E-Autoladestation zu einem einheitlichen System. Wir bieten bereits heute im Rahmen von "SENEC 360°" ein abgestimmtes System aus PV-Modulen, Batteriespeicher, Wallbox und Energiemanagementsystem an. Darauf aufbauend sind wir beispielsweise eine Kooperation mit dem Wärmepumpenhersteller Wolf eingegangen. Als wesentliches Element haben wir deswegen auch auf der "Intersolar" kürzlich das System "Home 4" als Ergänzung unseres Speicherportfolios und eine neue Wallbox vorgestellt, die neben weiteren innovativen Funktionen das Abrechnen für Dienstwagen mit Hilfe eines geeichten Zählers ermöglicht.
energate: Welche Rolle spielt der Home 4 in ihrem Produktportfolio?
Augat: Unsere bestehenden Produkte sind auf eine Speicherkapazität von bis zu 10 kWh ausgelegt. Für die absolute Mehrheit der Anwendungsfälle war diese Leistung absolut ausreichend. Der Blick in die Zukunft zeigt, dass aufgrund der Elektromobilität, größerer und leistungsfähigerer PV-Module und der zunehmenden Bedeutung von Wärmepumpen nun höhere Speicherkapazitäten gefordert sind. Das entsprechend größere Element bietet nun der Speicher "Home 4" mit bis zu 25,2 kWh an Kapazität, den wir ab Q4 dieses Jahres ausliefern werden. Mit einer Speicherkapazität ab 11,6 kWh besetzen wir ein Segment mit einem erheblichen Potenzial in der Zukunft, welches wir mit unseren bestehenden Produkten nicht bedienen konnten.
energate: Welche Schritte unternehmen Sie, um das Gewerbesegment zu erschließen?
Augat: Wie gesagt halten wir das Segment Gewerbespeicher für hoch attraktiv und ein zukünftiges Wachstumsfeld. 2023 werden wir unseren Speicher "Home 4" in kaskadierbarer Form anbieten. Das heißt, wir stoßen da in Dimensionen mit bis zu 75 kWh Speicherkapazität vor. Das ist ausreichend für einen kleineren Gewerbebetrieb, der einen mit einem Haushalt vergleichbaren Use-Case hat. In dem Moment, wo wir bei den größeren Betrieben und Lastspitzenoptimierung sind, da wären auch leistungsfähigere Speicher notwendig. In der Perspektive wollen wir sicherlich auch dieses Geschäftsfeld anschauen, unter Umständen auch in Kooperation mit anderen Herstellern, mit dem System "Home 4" werden wir das aber noch nicht abdecken können.
Die Fragen stellte Artjom Maksimenko