Konstanz (energate) - Die Stadtwerke Konstanz (SWK) wollen sich schrittweise vom Energieträger Erdgas verabschieden. Das macht sich nun konkret in der Gasinfrastruktur bemerkbar. Das kommunale Unternehmen wird eine eigentlich notwendige zweite Gasanbindungsleitung aus der Schweiz nicht bauen. Das habe der Aufsichtsrat auf Vorschlag der Geschäftsleitung nun beschlossen, teilten die baden-württembergischen Stadtwerke mit. "Wir haben diese Entscheidung bewusst getroffen, weil wir Erdgas nicht als Energieträger der Zukunft sehen", erklärte SWK-Geschäftsführer Norbert Reuter. Dabei nehmen die Stadtwerke auch eine mögliche Versorgungslücke in Kauf.
Gutachten: Versorgungslücke von 100 MW
Denn in einer intensiven Kälteperiode benötigt der Versorger auch aktuell schon mehr Gas als der zuständige Fernleitungsnetzbetreiber Terranets BW zugesichert hat. So mussten die Stadtwerke schon 2012 einige ihrer Industriekunden vom Gasnetz trennen, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Die SWK beliefern neben der Stadt Konstanz verschiedene Regionen in der Schweiz, wie Kreuzlingen, Romanshorn und die Schweizer Unterseegemeinden. Zudem findet über den Transit durch die Schweiz eine Versorgung der deutschen Gemeinde Öhningen statt. Zuletzt hatte ein Gutachten der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft im Herbst vergangenen Jahres noch eindeutig belegt, dass eine zweite Anbindung an das Netz von Erdgas-Ostschweiz notwendig ist. Das Gutachten beziffert die sonst bestehende Deckungslücke auf rund 100 MW bei einer längeren Kältephase.
Erdgas als Brücke wird massiv infrage gestellt
Seit der Veröffentlichung dieses Gutachtens hätten sich aber die Rahmenbedingungen - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs und der europäischen Gaskrise - massiv geändert, argumentieren die Stadtwerke. Dies führe dazu, dass Kunden schneller einen Wechsel der bislang fossilen Heizungsanlagen hin zu regenerativen Energien umsetzen. "Wir sehen gerade, dass Erdgas auch als Brücke in eine künftig weitgehend emissionsneutrale Energieversorgung massiv infrage steht", so Geschäftsführer Reuter. Der Trend gehe ganz klar weg vom Gas, sodass zu erwarten sei, dass der Absatz zurückgehe. Hinzu komme, dass laut eines Rechtsgutachtens, das die Stadtwerke in Auftrag gegeben haben, sie weitere Neuanschlüsse bis auf Weiteres ablehnen können. Somit werde die Versorgungslücke "vorerst nicht weiter anwachsen", hieß es.
Geplante Abschaltungen von Großkunden
Die Leistungsgrenze der fraglichen Terranets-Ferngasleitung liegt bei einer Lieferung von 360 MW. Davon erhielten die SWK zuletzt 306 MW als gesicherte Leistung sowie zusätzlich eine zeitlich befristete Leistung in Höhe von 40 MW und eine unterbrechbare Leistung von 14 MW, die nicht dauerhaft gesichert sind. Diese Mengen teilt der Fernleitungsnetzbetreiber jährlich neu zu. Nach einer weiteren Prüfung des Netzentwicklungsplans Gas und einer angepassten Prognose ließe sich - zumindest bis 2025 - am Netzkopplungspunkt mehr Leistung bereitstellen. Die dann noch bestehende Versorgungslücke wollen die Stadtwerke Konstanz mit weiteren Maßnahmen überbrücken. Hierzu wollen sie mit geeigneten Kunden entsprechende abschaltbare Verträge abzuschließen. Das heißt, dass diese Großkunden im Bedarfsfall geplant vom Netz gehen und eigenständig auf bestehende, alternative Energiequellen umstellen. /ml