Wien (energate) - Bei einem Arbeitstreffen in Wien haben Vertreter der Bundesregierung und der heimischen Gaswirtschaft kurzfristige Maßnahmen wie eine Aufrüstung der Übergabepunkte Oberkappel und Arnoldstein sowie einen Umbau der Gasnetze besprochen. Langfristig werde Gas auch in einem dekarbonisierten System eine entscheidende Rolle spielen, erklärte AGGM-Vorstand Michael Woltran. Zu dem Arbeitsgespräch sagte Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP): "Wir haben bereits sehr viel gemacht, um uns vorzubereiten. Jetzt geht es um den Rahmen, damit Unternehmen der Gasindustrie weitere Schritte setzen können." Energieministerin Leonore Gewessler betonte, Österreich bleibe von russischem Gas abhängig, und Moskau nütze den Energieträger als Waffe. Dass durch Nord Stream 1 wieder Gas fließe, sei kein Grund, sich in falscher Sicherheit zu wiegen.
Einspeicherung und Umrüstung von Kraftwerken
Oberste Priorität bei den kurzfristigen Maßnahmen habe weiterhin die Einspeicherung. Hier gebe es durchaus positive Signale. Trotz stark gesunkener Liefermengen während der Wartung von Nord Stream 1 habe Österreich weiterhin Gas einspeichern können, so Gewessler. Das liege nicht zuletzt an den deutlich gestiegenen Liefermengen aus Deutschland. Aktuell liegt der Füllstand der Gasspeicher in Österreich bei knapp über 50 Prozent, die Speicher der OMV sind zu 79 Prozent und jene von RAG Austria zu 72 Prozent gefüllt. Die Speicher des angeschlagenen deutschen Konzerns Uniper in Österreich sind zu 39 Prozent voll (energate berichtete).
Zudem gehe am heutigen Freitag eine Verordnung in Begutachtung, die großen Verbrauchern und Kraftwerkbetreibern vorschreiben soll, ihre Gasanlagen nach Möglichkeit auf andere Energieträger umzurüsten, so Gewessler weiter. Den Rahmen dazu biete das Gasdiversifizierungsgesetz, dem zufolge die Kosten dieser Umrüstung der Bund übernehmen wird. Die Verordnung betrifft auch die Umrüstung des Gaskraftwerks Mellach auf Kohle (energate berichtete).
Aufrüstung von Oberkappel und Arnoldstein
Geplant ist auch die Aufrüstung der Übergabepunkte zu Deutschland, Italien und Slowenien auf einen Betrieb in beide Richtungen. Das betrifft im Wesentlichen die Gasstationen im oberösterreichischen Oberkappel sowie in Arnoldstein in Kärnten. "Wir müssen unsere Systeme so ertüchtigen, dass verstärkt Gas aus Deutschland und aus Italien zu uns fließen kann", so AGGM-Vorstand Woltran. Gleichzeitig seien auch die Gasröhren durch Österreich auf bidirektionalen Betrieb auszubauen und bestehende Lücken zu schließen.
"Das betrifft die Leitungen auf der Westschiene von Oberkappel Richtung Baumgarten und in den Zentralraum Wien, sowie die Südschiene mit der Transaustria Gaspipeline von Arnoldstein ebenfalls in Richtung Wien", so Woltran. Der Bau einer neuen Gasleitung von Salzburg nach Tirol (energate berichtete) sei hier zu begrüßen und werde die Versorgungssicherheit erhöhen.
Entscheidungen und Hilfe der Politik unabdingbar
Allerdings nützen diese Projekte wenig, wenn Österreichs Nachbarn nicht genug Kapazitäten für die Anlieferung bereitstellen. Die Möglichkeit der Unternehmen, darauf einzuwirken, seien sehr begrenzt, betonte Woltran. "Fakt ist: Über marktwirtschaftliche Mechanismen werden diese Transportkapazitäten nicht zur Verfügung gestellt werden. Es braucht hier Entscheidungen der Politik und strategische Unterstützung auf europäischer Ebene." Die Frage, ob konkrete Entscheidungen zu LNG-Terminals in Slowenien und Kroatien geplant seien, ließ Gewessler offen und verwies auf das Treffen der Energieministerinnen nächste Woche.
Langfristige Perspektive: "Kein einziges Szenario ohne Gas"
Langfristig werde Gas auch in einem dekarbonisierten Energiesystem eine zentrale Rolle spielen, so Woltran weiter. "Wir müssen das System hin zu Erneuerbaren umbauen. Aber jedes mir bekannte Szenario eines dekarbonisierten Systems arbeitet mit Gas als Energieträger." Daher sei es entscheidend, die bestehende Infrastruktur zu nutzen und auch für Wasserstoff und Biomethan aufzurüsten. /pm