Bonn (energate) - Trotz der hohen Gaspreise über 200 Euro/MWh nähert sich der Füllstand der deutschen Gasspeicher der Marke von 70 Prozent. Im Kurznachrichtendienst Twitter erscheinen schon die ersten euphorischen Kommentare, dass sich bei einer täglichen Erhöhung um 0,4 Prozentpunkte das erste gesetzlich vorgegebene Speicherziel von 75 Prozent zum 1. September sogar übertreffen lasse. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dessen Behörde Treuhänder für den größten Speicher Rehden ist, warnt vor zu großer Euphorie. "Wir sind auf einem guten Weg. Circa drei Viertel der Gasspeicher sind zu mehr als 80 Prozent gefüllt, aber für einige wichtige Speicher wie Rehden in Niedersachsen oder Wolfersberg in Bayern gilt das noch nicht", so Müller auf Twitter. Insbesondere die nochmals hochgesetzten Ziele zu den Stichtagen 1. Oktober (85 %) und 1. November (95 %) blieben aber "eine große Herausforderung".
Die Befüllung der Speicher ist in der Tat recht unterschiedlich, wie ein Blick in die Speicherplattform AGSI+ zeigt, die Daten mit einem Zeitverzug von zwei Tagen liefert. Der Füllstand des Speichers Rehden (Astora) beträgt aktuell 44,16 Prozent, weitere Sorgenkinder sind Jemgum (56,9 %, hier die Astora-Kavernen), Wolfersberg (40,92 %, Bayerngas), der Erdgasspeicher Katharina (21,37 %, Erdgas Peissen) sowie einzelne Kavernen des Speichers Nüttermoor ("H3" bei 25,81 %, EWE). Zudem sind einige Kavernen des finanziell angeschlagenen Konzerns Uniper noch nicht auf der Zielgeraden, insbesondere in Etzel.
Haidach füllt sich
Der österreichische Speicher Haidach, der zur Versorgungssicherheit Bayerns beiträgt, wird seit dem 1. August wieder befüllt. Der Teil, den die deutsche Astora befüllen darf, liegt bei 62 Prozent. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kann jetzt nach einem Besuch in Haidach nach eigenen Worten "wieder besser schlafen". "Der Betreiber RAG hat uns bestätigt: Bis Anfang November kann der Speicher bis zu 90 Prozent aufgefüllt werden", teilte Aiwanger mit. Dies sei aber nur zu schaffen, wenn weiterhin Gas aus Russland ankomme.
Finanzielle Herausforderung ist groß
Wird die 75-Prozent-Marke bei den deutschen Speichern in den noch verbleibenden knapp vier Wochen nicht erreicht, wird der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) die Speicherbefüllung übernehmen. THE verfügt dazu über einen KFW-Kreditrahmen in Höhe von 15 Mrd. Euro. In Rehden und Wolfersberg ist das Unternehmen bereits aktiv, weil die Anlagen Anfang Juni unter 10 Prozent lagen.
Es wird sich zeigen, ob die 15 Mrd. Euro bei gegebenenfalls noch weiter steigenden Gaspreisen ausreichen. Vergangenen Freitag gaben die Erdgaspreise zwar unter die Marke von 200 Euro/MWh nach, Anfang dieser Woche zogen die Preise aber wieder an. Auf der Terminkurve wurde am Dienstag für den Winterkontrakt Q4/22 mit knapp 209 EUR/MWh am meisten bezahlt, schreibt Joachim Endress von Ganexo im täglichen energate-Marktticker. Dabei zeigten die Fundamentaldaten zumindest am Dienstag eine leichte Entspannung. Die Lieferungen aus Norwegen und aus Großbritannien erhöhten sich gegenüber dem Vortag. "Außerdem kommen weiter viele LNG-Lieferungen in Europa an und auch die Erwartungen für die Lieferungen in den nächsten sieben Tagen sind sehr gut", ordnete Endress ein. /mt