Kassel (energate) - Deutschlands größter Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea und der norwegische Konzern Equinor planen eine rund 900 Kilometer lange Pipeline zum Abtransport von CO2 Richtung Norwegen. Eine entsprechende Absichtserklärung für das Projekt "NOR-GE" ist unterzeichnet. Die Inbetriebnahme der Röhre mit "diskriminierungsfreiem Drittzugang" ist für das Jahr 2032 anvisiert. "Wir werden unsere enge Zusammenarbeit fortführen und das nächste Kapitel der deutsch-norwegischen Partnerschaft aufschlagen", sagte Wintershall-Chef Mario Mehren.
Durch die Pipeline, deren Start- und Zielort laut Unternehmenssprecherin noch nicht feststeht, könnten jährlich 20 bis 40 Mio. Tonnen CO2 abtransportiert werden. Dies entspricht in etwa 20 Prozent der gesamten deutschen Industrieemissionen pro Jahr. Die Projektpartner wollen das umweltschädliche Gas in den großen ausgeförderten Lagerstätten oder in salinen Aquiferen unter dem Meeresboden Norwegens einspeichern. Als Kunden haben sie insbesondere deutsche Industrieunternehmen im Fokus, denen die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) bei der Erreichung ihrer gesteckten Klimaziele helfen könnte. In Wilhelmshaven plant Wintershall Dea einen Sammelpunkt für CO2, der in der gemeinsamen Machbarkeitsstudie mit Equinor ebenfalls untersucht werde, so die Sprecherin. Details zu den Kosten nannte sie nicht.
Neue Lizenzen erforderlich
Für die Lagerung unter dem Meeresboden brauchen die Unternehmen Lizenzen der norwegischen Regierung. Auch hier ist eine Zusammenarbeit geplant. Die gemeinsame Bewerbung soll etwa 15 bis 20 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr auf dem norwegischen Festlandsockel umfassen, kündigten die beiden Unternehmen an. "Wir haben bereits unsere erste CO2-Speicherlizenz für das Luna-Feld im Dezember 2021 beantragt und erwarten die Erteilung der Lizenz noch in diesem Jahr", erläuterte die Winterhall-Sprecherin. Weitere Anträge seien in Vorbereitung, in Zukunft auch gemeinsam mit Equinor.
Rechtliche Hürden
Für den Pipelinebau sind allerdings noch einige Hürden zu nehmen. Bisher darf Wintershall Dea kein CO2 abtransportieren, weil Deutschland nicht den Zusatz zum sogenannten London-Protokoll ratifiziert hat. Das internationale Handelsabkommen wurde bereits 2009 erweitert, um grenzüberschreitende CO2-Transporte zu ermöglichen. CCS ist in Deutschland eine durchaus umstrittene Technik. Auf deutschem Boden waren in der Vergangenheit Vorhaben an fehlender Akzeptanz gescheitert, die Emissionen aus Kohlekraftwerken im Blick hatten. Die beiden Konzerne kündigten jetzt an, mit den Regierungen beider Länder an der Gestaltung entsprechender regulatorischer Rahmenbedingungen arbeiten zu wollen. Als Plan B für einen früheren Start des Projektes "NOR-GE" vor Inbetriebnahme der Pipeline wird auch der CO2-Transport per Schiff genannt.
Neues Standbein für Wintershall Dea
Wintershall Dea arbeitet seit dem Beginn des Ukraine-Krieges verstärkt am neuen Standbein CCS, das ein Teil der wegbrechenden Einnahmen aus der russischen Erdgasförderung ersetzen soll. Am künftigen LNG-Terminal in Wilhelmshaven ist das Kasseler Unternehmen unter dem Projektnamen "BlueHyNow" aktiv. In diesem Projekt plant Wintershall Dea, blauen Wasserstoff für deutsche Industriekunden anzulanden und im Gegenzug CO2 in Richtung Norwegen und Dänemark per Schiff zu transportieren. Auch in Dänemark ist Wintershall Dea bereits bei dem CCS-Projekt "Greensand" beteiligt. /mt