Wien (energate) - Der Bundesrechnungshof hat angesichts der finanziellen Notlage bei Wien Energie eine genaue Prüfung der Finanzgeschäfte des Unternehmens angekündigt. Dem größten regionalen Energieversorger des Landes mit 2 Mio. Kunden wird Spekulation am Energiemarkt vorgeworfen. Für eine genaue Beurteilung liegen laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) noch nicht ausreichend Informationen vor. Fest stehe, dass der Energieversorger "riesige Verpflichtungen" eingegangen sei, die er jetzt nicht erfüllen könne, so Brunner. Auch "mutmaßlich spekulative Geschäfte" seien laut Brunner nicht auszuschließen. Die Aufklärung dazu werde in den nächsten Wochen stattfinden. Wien Energie hat bisher alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Im Fokus stehen dabei sogenannte Warentermingeschäfte, die in der Industrie, aber auch bei Energieunternehmen üblich sind. "Das sagt aber nichts darüber aus, mit welchem Risiko und in welchem Ausmaß die Geschäfte gemacht werden", sagte Energieexperte Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Oft könne ein "an sich sinnvolles Produkt dadurch, dass man die Parameter überdehnt", ein Unternehmen in eine gefährliche Situation manövrieren, weil die eigene Bilanz das nicht zu tragen imstande sei, führte er aus.
Wifo: Risikomanagement der Wien Energie hat versagt
Es wäre die Aufgabe des Risikomanagements gewesen, auch von solchen extremen volatilen Preisbewegungen nicht überrascht zu werden, so Böheim. Wenn ein Unternehmen in der Größe der Wien Energie einen hohen Eigenbedarf an Strom hat, aber wenig selbst produziert, ist es besonders betroffen, so der Wifo-Energieexperte. Er gehe davon aus, dass das Risikomanagement des Unternehmens versagt hat. Das Finanzministerium verhandelt seit Montag mit Wien Energie. Die Verhandlungen sind auf einem guten Weg, sagte Brunner am Dienstag. Er wäre erst Montagvormittag schriftlich informiert worden, dass das Unternehmen bis heute (30. August) um 12 Uhr 2 Mrd. Euro benötige. Sonst müsste der Versorger zwei Mio. Kundenverträge kündigen. Am Dienstag war die Lage wieder anders und es wurde kein Geld benötigt. Dies kann sich aber rasch wieder ändern.
"Worst Case": Wien Energie benötigt 10 Mrd. Euro
Aufgrund der extremen Preisschwankungen am Strom- und Gasmarkt hat Wien Energie (energate berichtete) nach eigenen Angaben mehrere Szenarien berechnet und mit der Stadt Wien und der Bundesregierung diskutiert. "Im Worst-Case-Szenario, nämlich bei einer weiteren Verdopplung des Strompreises diese Woche, würde Wien Energie 5 Mrd. an Garantien benötigen", gab der Versorger bekannt. Die in den Medien kolportierten 10 Mrd. Euro würden sich auf eine nochmalige Zuspitzung der Situation im "Worst-Worst-Case" beziehen. Im besten Fall, so Wien Energie, benötigt das Unternehmen gar keine "Sicherheitsgarantien vom Bund". Gleichwohl gewährte die Stadt Wien ihrem Versorger zum Wochenstart ein Darlehen in Höhe von 700 Mio. Euro. Das erklärte Bürgermeister Michael Ludwig. Somit habe die Stadt seit Juli 2022 einen kommunalen Schutzschirm gespannt und Wien Energie insgesamt 1,4 Mrd. Euro an Darlehen gewährt, sagte er.
Prüfung aller Energieversorger - Kritik der Opposition
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) kündigte an, auch die finanzielle Lage bei anderen Energieversorgern genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Regulierungsbehörde E-Control führt auf Betreiben des Ministeriums gerade eine Markterhebung durch. "Diese wird ein detailliertes Bild über die finanzielle Situation auf dem Energiesektor liefern", so Gewessler. Die Oppositionspartei Neos kritisierte die "Misswirtschaft und hochriskanten Geschäfte" des Unternehmens. Neos-Politiker forderten generell mehr Transparenz in der Energiewirtschaft und eine genaue Aufklärung bei Wien Energie (energate berichtete). Für die FPÖ handelt es sich "um den bisher größten Finanzskandal der Stadt Wien". Dabei sei "dreist" versucht worden, diesen kleinzureden, kritisierte der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Es gehe keineswegs nur um Sicherstellung (Margins) von zukünftigen Käufen. Vielmehr dürfte es sich um nicht gedeckte Leerverkäufe in der Höhe von 13 Mrd. Euro handeln. Das sei das komplette Jahresbudget der Stadt. Die Wiener Grünen streben eine Untersuchungskommission an, die aufklären soll. /imk