Zell am See (energate) - Auf der Jahrestagung der Kleinwasserkraft Österreich fordern Vertreter der Branche eine massive Beschleunigung der Genehmigungen. Juristen weisen darauf hin, dass Österreichs Möglichkeiten wegen der EU sehr begrenzt seien. Schnell wirksam sei dagegen deutlich mehr Personal bei Sachverständigen - sowie Einsparungen im Verbrauch. Zum Auftakt betonte Verbandspräsident Christoph Wagner, der Bau neuer und der Ausbau bestehender Kraftwerke müsse spätestens mit der Energiepreiskrise drastisch beschleunigt werden. Mit Blick auf das Programm "Repower EU" stellte Wagner auch die Möglichkeit automatisierter Genehmigungen in den Raum: "Wenn ein Antrag innerhalb von einem halben Jahr von der Behörde keine Bescheid erhält, dann sollte dieser als bewilligt gelten." Die Bundesländer seien hier vielfach "das Nadelöhr".
Umweltrechtler: "Enge Grenzen durch die EU"
"Repower EU" enthalte erste Ansätze zu schnelleren Verfahren (energate berichtete), aber sonst setze die EU mit ihren Vorgaben enge Grenzen, so Rechtsanwalt Berthold Lindner von der Wiener Kanzlei Lindner Stimmler: "Tatsächlich können wir in Österreich gar nicht so viel für Verfahrensbeschleunigungen tun, wie es scheint." Lindner verwies auf die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die Habitatrichtlinie, Vorgaben zum Vogelschutz, Artenschutz oder der Beteiligung der Öffentlichkeit. Die Gesetzgebung sei manchmal unscharf und die Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof sehr streng. "Änderungen müssen auf europäischer Ebene passieren, aber das ist schwierig, denn: Wie viele Länder haben die Wasserkraft als relevantes Instrument? In Brüssel ernten wir immer viel Wohlwollen, und dann geschieht nichts", so Lindner.
Schnell wirksame Beschleunigung: mehr Sachverständige
Eine schnelle und wirksame Beschleunigung könne dagegen eine deutliche Aufstockung von Personal bei den Sachverständigen sein, betonten sowohl Lindner als auch Gishild Schaufler, Umweltanwältin des Landes Salzburg. Schaufler nahm dabei die Behörden in Schutz: "Es wird immer auf die Langsamkeit Behörden geschimpft. Aber in den Bereichen, in die ich Einblick habe, sind alle vollkommen überlastet, weil viel zu wenig Personal da ist." Dies gelte bundesweit, ergänzte Lindner. Eine Aufstockung koste dagegen Geld und passiere deshalb nicht. Zur Entlastung könnten auch nicht amtliche Sachverständige zugelassen werden, so Linder. "Das hören aber weder Behörden noch Projektwerber gern, denn auch das ist teuer."
"Wasserkraft im übergeordneten öffentlichen Interesse"
Paul Ablinger, Geschäftsführer von Kleinwasserkraft Österreich, widersprach den angeblich begrenzten Möglichkeiten der heimischen Politik. "Die Politik kann die Wasserkraft als übergeordnetes öffentliches Interesse definieren. Und das würde den Behörden die Mittel geben, uns den Raum zu geben, der uns auch zusteht." Gut wäre auch die Ausweisung von "Go Areas", wie das der Plan "Repower EU" vorschlage, so Ablinger. Der Forderung, Anträge nach einem halben Jahr automatisch zu genehmigen, erteilten dagegen sowohl Schaufler als auch Lindner eine Absage. Nicht alle Projekte seien schlecht, aber auch nicht alle optimal, so Schaufler: "Ich bin froh, dass wir in einem Rechtsstaat leben."
"Unser System ist ein Energieverschwendungssystem"
Auch der Salzburger Landtagsabgeordneter Josef Scheinast (Grüne) plädierte für einen Ausbau der Wasserkraft wie der Windkraft, brach aber eine Lanze für die Potenziale beim Einsparen von Energie. "Wir als Menschheit leisten uns eine Fußball-WM in Katar inklusive Kühlung ganzer Stadien, wir transportieren Kartoffeln und Schrimps zu tausende Kilometer entfernten Waschanlagen. Wir glauben, wenn jeder einen Elektro-SUV fährt, dann braucht man weiter nichts zu tun. Unser ganzes Energiesystem ist ein Verschwendungssystem. Wenn wir aber die Lebensqualität bewahren wollen, müssen wir die Verschwendung abstellen", so Scheinast.
Seiner Position, dass dank der Einsparung überregionale Stromnetze nicht ausgebaut werden müssten, widersprachen jedoch sowohl Ablinger als auch andere Podiumsteilnehmer vehement. Auch den Hinweis darauf, dass die Wasserkraft als tragende Erzeugungstechnologie wegen der zunehmenden Trockenheit immer riskanter werde, ließ Ablinger nicht gelten: "Wenn es zu einem Monat Trockenheit im Sommer und einem im Winter kommt, dann haben wir immer noch zehn Monate mit sehr vielen Volllaststunden." Nach Angaben des Verbands erzeugen aktuell rund 4.000 Kleinwasserkraftwerke rund 6,5 Mrd. kWh und damit über ein Zehntel des österreichischen Strombedarfs. /pm