Berlin (energate) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Weiterbetrieb aller drei am Netz verbliebenen Kernkraftwerke bis April 2023 angeordnet. Mit dem Schritt will er den Streit in der Ampelkoalition um längere Laufzeiten lösen. Per Richtlinienkompetenz ordne er den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland an, heißt es in einem Schreiben des Bundeskanzlers an Bundesfinanzminister Christian Lindner, Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Grünen wollten die Laufzeit von nur zwei der drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke, Isar 2 und Neckarwestheim 2, einmalig bis April 2023 verlängern (energate berichtete). Die FDP hatte dagegen vor dem Hintergrund der unsicheren Energieversorgungslage auf dem Weiterbetrieb aller drei Anlagen bis 2024 bestanden.
Keine neuen Brennstäbe
Mit der nun vorgeschlagenen Kompromisslösung kommt Scholz den Grünen insofern entgegen, als dass der Kauf von neuen Brennstäben vermieden wird. Dies hatte die Partei zuletzt als rote Linie definiert. Für den Weiterbetrieb bis 2024 wäre der Schritt aber nötig gewesen. Dafür müssen Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Lemke nun akzeptieren, dass auch das Kernkraftwerk Emsland bis April 2023 am Netz bleibt. Die entsprechende Änderung des Atomgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes sollen die Ministerien nun "zeitnah" dem Kabinett vorlegen, heißt es in dem Schreiben weiter. Eine Regelung muss dort am 19. Oktober beschlossen werden, damit die Änderungen bis Ende 2022 wirksam werden. Sonst bleibt es beim aktuellen Ausstiegsdatum zum 1. Januar 2023.
Ambitioniertes Energieeffizienzgesetz und Kapazitätsmarkt
Mit seiner Entscheidung zum Weiterbetrieb der Kernenergie ordnete Scholz zudem an, dass ein "ambitioniertes" Gesetz zur Energieeffizienz vorzulegen ist. Ferner soll die Vereinbarung mit RWE zum Weiterbetrieb einiger Kohlekraftwerke in NRW bis 2024 beim gleichzeitig beschleunigten Kohleausstieg bis 2030 in ein Gesetz gegossen werden (energate berichtete). Scholz sichert zudem zu, dass die Bundesregierung die Voraussetzungen für den Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke schaffen werde, um die Versorgungssicherheit zu sichern. Gemeint sind hiermit Kapazitätsmechanismen, die Betreibern finanzielle Anreize für den Bau der Anlagen geben sollen, die vermutlich auf weniger Betriebsstunden im Jahr kommen.
Offen ist, ob mit der Entscheidung auch die Pläne für den Betrieb von zwei Ölkraftwerken im Norden vom Tisch sind, die anstelle der Kernkraftwerkes Emsland zu Versorgungssicherung beitragen sollten. Zuletzt hatte es geheißen, dass es für diese "Power Barges" bisher ein Angebot aus dem Markt gebe.
Lindner reagiert mit Zustimmung
Aus der FDP kamen nach der Entscheidung von Scholz positive Reaktionen. "Es ist im vitalen Interesse unseres Landes und seiner Wirtschaft, dass wir in diesem Winter alle Kapazitäten der Energieerzeugung erhalten. Der Bundeskanzler hat nun Klarheit geschaffen", teilte Finanzminister Lindner mit. Von den Grünen war bis Redaktionsschluss keine Reaktion zu bekommen. /kw