Essen (energate) - Bereits ab dem 1. Dezember will der Bund zur Finanzierung der Strompreisbremse Gewinne am Terminmarkt abschöpfen. Allerdings steht die Ausgestaltung dieses Mechanismus erst am Anfang. Analysten bewerten die jüngst kolportierten Pläne aus dem Bundeswirtschaftsministerium als "sehr vage". Zu diesem Schluss kommt etwa eine erste Einschätzung des Beratungshauses Enervis zu dem inoffiziellen Konzeptpapier, mit dem sich das Bundeswirtschaftsministerium in diesen Tagen dem Thema nähert (energate berichtete). "Weitreichende Folgen" seien vor allem am PPA-Markt zu erwarten, sagte Enervis-Analyst Tim Höfer bei der Vorstellung der Kurzanalyse des Beratungshauses.
Generell seien sehr viele Fragen offen und entsprechend viel Arbeit zu tun, so Hofer. Ähnlich bewertet auch Tobias Federico von Energy Brainpool den Planungsstand im Konzeptpapier. Bei Federico verursacht das Konzept zur Gewinnabschöpfung am Terminmarkt in seiner aktuellen Form "Bauchschmerzen", wie er im Gespräch mit energate konstatierte. Dass der Vorschlag das reale Marktgeschehen im Stromgroßhandel bewusst in teils stark vereinfachter Form abbilde, um sich so der Realität zu nähern, sei "als Grundkonzept vielleicht nachvollziehbar", so Federico. In Teilen gehe die Vereinfachung jedoch deutlich zu weit, urteilte er.
Terminmarkthandel als "rein finanzielle Geschäfte"
Im Konzeptpapier des Ministeriums steht, dass Termingeschäfte am Strommarkt als rein finanzielle Geschäfte betrachtet werden sollen. Weder die tatsächliche Erzeugung noch nachgelagerte Optimierungsgeschäfte werden berücksichtigt. "So sollen nur Gewinne abgeschöpft werden, die sich nach dem Verkauf am Terminmarkt und dem Zukauf am Spotmarkt ergeben", erklärte Enervis-Experte Hofer. Dazu sollen die Anlagenbetreiber einmal pro Quartal ihre Hedging-Strategien offenlegen und dabei angeben, wie viel Prozent der installierten Leistung der einzelnen Anlagen so abgesichert sind. An diesem Punkt sieht Energy-Brainpool-Analyst Federico einen problematischen Strukturbruch in dem Konzept: "In der Realität wird nicht die installierte Leistung, sondern ein Prozentsatz der erwarteten Jahresarbeit von Kraftwerken, Solarparks oder Windrädern abgesichert", stellt er klar. "Hier fehlt die Betrachtung der Vollbenutzungsstunden."
Wirtschaftsprüfer sollen Hedging-Angaben testieren
Einen potenziellen Schwachpunkt, den die Autoren des Konzepts selbst ausgemacht haben, sind vorsätzliche Falschangaben zum Hedging. Unterbinden sollen das Wirtschaftsprüfer. Angedacht ist ferner, die Geschäftsführung für die Angaben in Haftung zu nehmen. Zudem sollen bewusste Falschmeldungen durch "Schlechterstellung" in der Abrechnung bestraft werden. Ein Vorschlag dazu: In so einem Fall könnte so abgerechnet werden, als ob der Anlagenbetreiber 100 Prozent des Stroms zum aktuell sehr hohen Spotmarkt vermarktet hätte.
EEX-Jahresfutures als Marke für Referenzerlöse
In der Kalkulation, ab wann ein Zufallsgewinn am Terminmarkt entsteht, stehen in dem Konzept auf der einen Seite Deckungsbeiträge für die Terminkontrakte, sprich den Teil der Stromerlöse, der die Kosten deckt. Zusätzlich soll den Betreibern am Terminmarkt eine Sicherheitsmarge von 4 Cent/kWh gewährt werden. Auf der anderen Seite werden die quartalsweisen Durchschnittspreise der EEX-Jahresfeatures als Referenzerlösmarke herangezogen. Ergibt sich ein Überhang, wird dieser zu 90 Prozent abgeschöpft. Lediglich für die Abschöpfung am Spotmarkt enthält das Konzept konkrete Zahlen zu Deckungsbeiträgen. Diese sollen anlagenspezifisch festgelegt werden, also abhängig von der Art der Erzeugung. Angedacht sind zwischen 4 und 15 Cent/kWh, also 40 und 150 Euro/MWh. Enervis-Experte Hofer wies darauf hin, dass die Erlösobergrenze somit unter dem EU-Vorschlag von 180 Euro/MWh läge.
Die Idee, die Abrechnung an den EEX-Jahresfutures zu orientieren, ist für Federico zu weit vom tatsächlichen Marktgeschehen der meisten betroffenen Erzeugungsanlagen entfernt. So werde etwa die Stromproduktion aus Windparks mit PPA-Verträgen über längere Zeiträume gehedgt. Als weiteren Schwachpunkt sieht Federico die Annahme, dass in der ersten Stufe der Umsetzung des Konzeptes jedwede Erzeugung zu 100 Prozent am Day-Ahead-Markt vermarktet wird und, dass in der zweiten Stufe Kraftwerke, unabhängig davon, auf welcher Basis sie Strom erzeugen, das ganze Jahr lang laufen. Nicht berücksichtigt würden geplante oder ungeplante Stillstände von Braunkohlekraftwerken oder auch die Tatsache, dass sehr viel erneuerbare Erzeugung am Intraday-Markt gehandelt wird.
Viele Fragen rund um PPA-Markt
Zahlreiche Unklarheiten sieht wiederum Enervis vor allem auf den PPA-Markt zukommen. So bleibe offen, wie diese Stromlieferverträge in diesem Regime generell behandelt werden sollen, monierte Hofer. Nicht näher definiert sei, ob diese Verträge generell im Rahmen der Hedging-Meldungen aufgeführt werden müssen oder erst, wenn eine Abschöpfung droht. Ferner sei aktuell auch denkbar, dass für PPAs Einzelfallprüfungen anfallen, wobei wiederum unklar sei, wer diese durchführen soll. Überdies sei fraglich, ob wirklich jedwede Form von Terminkontrakt abgeschöpft werden soll. /pa