Herrenberg (energate) - Die Beschaffungskrise setzt weiterhin vor allem kleineren Versorgern zu. Die Stadtwerke Herrenberg (SWH) haben nun alle ihre Stromkunden über das Ende ihrer Lieferverträge zum Jahresende informiert. Eine Verlängerungsoption für diese 1.400 Kunden werde der baden-württembergische Kommunalversorger nicht anbieten, sagte SWH-Werkleiter, Karsten Kühn, im Gespräch mit energate. Stattdessen könnten die Kunden einen neuen Stromliefervertrag abschließen. Um die Verträge unter neuen Konditionen müssten sie sich allerdings selbst kümmern, ein Abschluss ist sowohl schriftlich als auch online möglich. "Das Stromkontingent, das wir noch zu wettbewerbsfähigen Preisen beschaffen konnten, ist allerdings begrenzt und reicht nach unserer Schätzung für etwa 45 Prozent der Kunden", sagte er. Anstelle von aktuell 26,35 Cent/kWh (brutto) werde der Preis dann 44,18 Cent/kWh (brutto) betragen. Der Grundpreis steigt zudem von 10,27 auf 15,52 Euro im Monat.
Kühn: "Notwendiger Schritt"
Dies sei ein bedauerlicher, aber notwendiger Schritt. Nicht betroffen seien von der Kündigung die Sondervertragskunden, von denen die Stadtwerke eine niedrige dreistellige Zahl haben. Diese Kunden würden mit einem anderen Beschaffungsrhythmus versorgt und haben längere Preisgarantien. Mit der Entscheidung, den privaten Stromkunden zu kündigen, einem Teil von ihnen dann doch noch einen neuen Vertrag anzubieten, geht Herrenberg einen anderen Weg als einige Energieanbieter, die sich aufgrund der hohen Beschaffungskosten komplett aus dem Strom- beziehungsweise Gasvertrieb zum Jahresende zurückziehen. Das haben sogar mehrere Grundversorger bereits angekündigt (energate berichtete).
Im Gasbereich, wo die SWH mit 3.200 Kunden Grundversorger sind, halte das Unternehmen an seinen Verpflichtungen fest. Hier steigen allerdings tarifübergreifend die Preise. Ab Januar steigt der kWh-Preis von 25,73 auf 30,81 Cent. Der Grundpreis bleibt unverändert. Für die Situation, dass noch mehr Gaskunden in der Grundversorgung der SWH landen, habe das Unternehmen bereits zusätzliche Mengen an Erdgas beschafft.
Schwierige Zeiten für Querverbundunternehmen
"Für ein Querverbundunternehmen wie das unsere ist die Situation gerade sehr schwierig", resümierte Kühn. Traditionell habe die wirtschaftsstarke Energiesparte der Stadtwerke die defizitären Sparten - wie beispielsweise Bäder - unterstützt. Nun habe der Versorger weniger Kunden bei gleichbleibenden laufenden Kosten. "Auch wenn dieses Jahr nicht in die roten Zahlen rutschen, bleibt die Situation angespannt". Unter dem Strich schmälern die hohen Beschaffungskosten auch das Budget für Investitionen in neue Technologien und Lösungen, um die Energiewende vor Ort schließlich voranzutreiben.
Mit Sorge sieht Kühn die herrschende Unklarheit darüber, wie die politisch gewollten Abhilfen für die Versorger konkret aussehen sollen. "Hier wären Handlungsempfehlungen von VKU und BDEW hilfreich." Aus seiner Sicht könnten die Strom- und Gaspreisbremse von "einigen schwarzen Schafen der Branche zur Bereicherung missbraucht werden". Hier erwarte ich funktionierende Kontrollmechanismen und dass die Versorger vom Gesetzgeber aufgefordert werden, ihre Preiskalkulationen plausibel darzulegen./am