Brüssel (energate) - Die EU-Kommission wird noch in diesem Jahr eine delegierte Verordnung mit Grünstromkriterien für grünen Wasserstoff und Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBO) vorstellen. Das gab der für Energiepolitik zuständige Sprecher der EU-Kommission bekannt. Auch der für die Reform der Erneuerbaren-Richtlinie (RED) zuständige EU-Abgeordnete, Markus Pieper (CDU), rechnet noch im Dezember mit einem neuen Vorschlag. Er hatte damit gedroht, aus der Richtlinie eine EU-Verordnung zu machen, sollten die Kriterien nicht weicher ausfallen als im letzten Entwurf der EU-Kommission vom 20. Mai 2022 (energate berichtete).
Pieper verhandelt gerade mit den Unterhändlern des EU-Energieministerrats über die RED-Reform und strebt noch dieses Jahr eine Einigung mit ihnen an. Die längst überfällige delegierte Verordnung ergänzt die Erneuerbaren-Richtlinie aus dem Jahre 2018 (RED II). Pieper, der angesichts der RED-Reform eigentlich keinen Sinn mehr in einer delegierten Verordnung sah, will, genauso wie der Energieministerrat, die EU-Kommission eine solche machen lassen. "Wir überlassen das der EU-Kommission, weil das sonst für die neue Wasserstoffwirtschaft zu lange dauern würde", so Pieper.
Nur eins von drei Kriterien weicher
Grundsätzlich soll die Verordnung sicherstellen, dass für die Erzeugung von Elektrolyse-Wasserstoff nur "zusätzlicher" Ökostrom eingesetzt wird (Additionalitätskriterium). Zwei weitere Kriterien sind die geografische und die zeitliche Korrelation. Wie einem neuen Verordnungsentwurf zu entnehmen ist, der der Redaktion zugespielt wurde, ändert sich gegenüber dem Entwurf vom Mai dieses Jahres nur das Kriterium für die zeitliche Korrelation. Demnach gilt diese als erfüllt, wenn "der erneuerbare flüssige Verkehrskraftstoff nicht biologischen Ursprungs im gleichen Quartal des Kalenderjahres erzeugt wurde wie der erneuerbare Strom". Im Entwurf vom Mai war es mit der Maßgabe von nur einer Stunde anspruchsvoller. Übergangsweise bis zum 1. Januar 2027 sollte für die zeitliche Korrelation ein Zeitfenster von einem Monat gelten. Im neuen Entwurf gilt das vierteljährige Zeitfenster bis zum 31. März 2028. Danach soll ein einstündiges Zeitfenster gelten.
Bei den zwei anderen Kriterien - Additionalität und geografische Korrelation - soll es nach dem Willen der EU-Kommission beim Alten bleiben. So gilt auch laut dem neuen Entwurf für die Direktanbindung einer Elektrolyseanlage an eine Erneuerbaren-Anlage, dass letztere frühestens 36 Monate vor der ersteren in Betrieb genommen worden sein darf. Das gilt auch für das Repowering von alten Wind- und Solarparks. Außerdem dürfen die Erneuerbaren-Anlagen keine staatliche Förderung in Form von Betriebsbeihilfen oder Investitionsbeihilfen erhalten.
Geografische Korrelation
Der für die Herstellung von grünem Wasserstoff oder RFNBOs eingesetzte erneuerbare Strom, der aus dem Netz bezogen wird, soll grundsätzlich aus derselben Gebotszone kommen wie die dafür eingesetzten Elektrolyseanlagen.
Liegt die den erneuerbaren Strom generierende Anlage in einer benachbarten Preisgebotszone, so gilt der mit diesem Strom produzierte Wasserstoff nur dann als erneuerbar, wenn der dortige Day-Ahead-Strompreis mindestens so hoch ist wie in der Preiszone, wo die Elektrolyse-Anlange ihren Standort hat.
Elektrolysebetreiber, die Strom aus einem Netz beziehen, das zu einer Preiszone gehört, in der fast aller Strom erneuerbar ist, können ihren Strom ohne Auflagen aus dem Netz ziehen und ihren Wasserstoff als "vollständig erneuerbar" zertifizieren. Dafür muss der durchschnittliche Anteil im vorangegangen Kalenderjahr 90 Prozent überschritten haben und die Produktion der erneuerbaren Kraftstoffe darf eine maximale Stundenzahl nicht überschreiten. Letztere ergibt sich, in dem die Gesamtstundenzahl in jedem Kalenderjahr mit dem Anteil des erneuerbaren Stroms multipliziert wird, der für die Gebotszone gemeldet wurde.
"Der beste Entwurf, der bisher vorgelegt wurde"
Abzuwarten bleibt, ob Pieper, der sich vehement für die Interessen der Wasserstoff- und E-Fuelindustrie einsetzt, mit den neuen Kriterien zufrieden sein wird: "Die EU-Kommission soll ruhig weitermachen, aber im Lichte der Parlamentsabstimmung." Da habe es pragmatische Kriterien für RFNBOs im Verkehrssektor gegeben. "Wir haben auch gesagt, dass das für die Industrie gelten muss", so Pieper.
Der EU-Abgeordnete Jens Geier (SPD) ebenfalls vom Energieausschuss des EU-Parlaments (ITRE) und Berichterstatter für die neue Gasrichtlinie hält den Entwurf jedenfalls für gut: "Es ist der beste Entwurf, der bisher vorgelegt wurde. Eine Verabschiedung am 15. Dezember aber wäre für die Stakeholder ein unfreundlicher Akt, da über Weihnachten gearbeitet werden muss." /rl