Wien (energate) - Der Ausstieg aus Erdgas wird den heimischen Haushalten enorme Kosten verursachen. Bis zu 100 Mrd. Euro könnten durch ein Verbot von Gasheizungen bis 2040 drohen, informierte Anna Kleissner, Geschäftsführerin des Wirtschaftsforschungsinstituts Econmove bei einer Pressekonferenz der Allianz für grünes Gas. Der Heizungstausch sei nur "ein Teil der Wahrheit", es seien auch andere Kosten zu berücksichtigen, so die Wirtschaftsforscherin weiter. Der Ersatz von rund 900.000 Gasheizungen in Österreich durch Holz- oder Pelletheizungen, Wärmepumpen sowie Solarthermie und Fernwärme schlägt laut Berechnungen des Instituts mit bis zu 26 Mrd. Euro zu Buche.
Den mit bis zu rund 55 Mrd. Euro weitaus größten Anteil machen jedoch die für einen Heizungstausch notwendigen Sanierungskosten der Gebäude aus. Diese Kosten seien zusätzlich zu den jährlichen rund 6 Mrd. Euro für die thermische Sanierung bei einer Sanierungsrate von derzeit rund 1,5 Prozent zu veranschlagen, erklärte Kleissner. Hinzu kämen dann noch bis zu 2,74 Mrd. Euro für die laufende Wartung bestehender Gasheizungen bis 2040.
Hohe Kosten, geringes Einsparungspotenzial
Wird nun zu den über 80 Mrd. Euro Mehrkosten noch eine anhaltend hohe Teuerungsrate hinzugerechnet, so könnte die Summe auf bis 100 Mrd. Euro ansteigen. Das bedeute im Zeitraum von 2023 bis 2040 eine jährliche Belastung von fünf Mrd. Euro, so Kleissner. Die sehr hohen volkswirtschaftlichen Kosten stünden auch einer vergleichsweise geringen Reduktion von Treibhausgasemissionen in der Raumwärme von maximal 15 Prozent gegenüber, ergänzte die Forscherin.
Den Berechnungen zugrunde liegt die Annahme, dass ab 2023 im Neubau keine Gasheizungen mehr eingebaut und defekte Gasheizungen nicht mehr repariert werden dürfen, informierte die Wirtschaftsforscherin. Zudem wurde für die Studie angenommen, dass spätestens bis 2040 alle bestehenden Gasheizungen ausgetauscht werden müssen. Ebenfalls angenommen wurde, dass die Kosten für die Installation neuer Heizsysteme von den Haushalten übernommen werden.
Denk: Gasheizungen mit grünem Gas weiterbetreiben
Derzeit werde die Diskussion um "Raus aus Gas" zu hitzig geführt, meinte Manfred Denk, Bundesinnungsmeister der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker. Der Ausstieg aus Heizöl bis 2035 sei nicht das Problem. Hier sei die Branche bereits auf einem sehr guten Weg, befand Denk. Aber es sei einfach nicht wirtschaftlich und strategisch sinnvoll, ein neues energieeffizientes Gas-Brennwertgerät durch ein anderes Heizsystem zu ersetzen.
Würden alle alten Gasthermen durch neuere Brennwertgeräte getauscht, so wären rasch Energieeinsparungen von bis zu 30 Prozent möglich, rechnete Denk vor. Er schätzt, dass rund die Hälfte der derzeit bestehenden Gasheizungen, vor allem im städtischen Bereich nicht durch ein alternatives Heizsystem ersetzt werden können. Diese sollten dann mit grünem Gas weiter betrieben werden, meinte der Bundesinnungsmeister. Die Allianz für grünes Gas schätzt das Potenzial für Biomethan in Österreich auf jährlich rund vier Mrd. Kubikmeter. Zusätzlich könnten mehr als 1,5 Mrd. Kubikmeter grüner Wasserstoff aus überschüssigem heimischen Ökostrom erzeugt werden.
Damit könne der Bedarf in heimischen Gasheizungen von rund 1,6 Mrd. Kubikmetern pro Jahr "problemlos" gedeckt werden, so die Allianz. Die Kosten für die Umstellung der bestehenden Gasheizungen für einen Betrieb mit grünem Gas schätzt die Wirtschaftsforscherin Kleissner auf bis zu 20 Mrd. Euro bis 2040. In dieser Summe bereits enthalten seien auch Kosten von zwei bis drei Mrd. Euro für rund 250 große Biomethananlagen, die laut Schätzungen ausreichen würden, um alle heimischen Gasheizungen mit 100 Prozent grünem Gas zu versorgen, so die Grüngas-Allianz.
Global 2000: "Berechnungen unseriös"
Global 2000 bezeichnete die Berechnungen von Econmove und der Allianz für grünes Gas als unseriös. So würden bei den Berechnungen etwa Fakten ausgeblendet und Aspekte nicht berücksichtigt, meinte die Umweltorganisation. Bei einer gesamthaften Betrachtung erweise es sich als günstiger auf andere klimafreundliche Alternativen zu setzen als auf erneuerbares Gas, sagte Johannes Wahlmüller, Sprecher von Global 2000.
Haushalte und Betriebe brauchten Förderungen und vergünstigte Kredite, um die Anfangsinvestitionen stemmen zu können. Zudem seien die laufenden Kosten von erneuerbarem Gas um ein Vielfaches höher als bei Fernwärme, Wärmepumpen oder Biomasse, so Wahlmüller weiter. So seien etwa die Kosten für den Betrieb von Gasheizungen mit grünem Gas um 40 bis 50 Prozent höher.
Zudem seien die genannten Potenziale von grünem Gas nicht vorhanden, meinte Global 2000. Selbst bei einer Verhundertfachung der aktuellen Einspeisung von Biogas bis 2030 sei lediglich ein Maximum von 14 Mrd. kWh jährlich möglich - zu wenig, um den aktuellen Verbrauch von Haushalten, Industrie und der Energiewirtschaft von rund 89 Mrd. kWh zu decken, rechnete die Umweltorganisationen vor. /af