Köln (energate) - Branchenweit sorgen sich Unternehmen über sogenannte Margin Calls. Im Sommer 2022 schlugen zunächst Energielieferanten Alarm. Große Energiekonzerne wie Wien Energie oder die Schweizer Axpo brauchten innerhalb kürzester Zeit staatliche Bürgschaften. Die Nachforderungen bei Sicherheiten, die die Unternehmen für ihre Handelsaktivitäten hinterlegen müssen, stiegen täglich an - in besorgniserregendem Umfang.
Mittlerweile fallen die Preise wieder und genau das, was eigentlich eine Erleichterung für die Branche sein sollte, wird nun zum Problemfall. Armin Komenda, Vorstand der EWS Elektrizitätswerke Schönau, sagte kürzlich: "Wir schauen jeden Morgen auf die Preise und hoffen, dass sie nicht weiter fallen." Sicherheiten bringen die EWS an ihre Grenzen, womit der Ökostromversorger aus Süddeutschland nicht alleine dasteht (energate berichtete).
Für welche Geschäfte gibt es Sicherheiten?
Generell kann es Sicherheiten für alle Handelsgeschäfte geben - egal ob im Terminhandel, auf dem Spotmarkt, an der Börse oder im OTC-Handel. Das klassische und auch teuerste Beispiel sind über die Börse gehandelte Terminmarktprodukte.
Warum gibt es Sicherheiten?
Mit Sicherheiten sichern sich Handelspartner noch vor der Energielieferung gegenseitig gegen ein Ausfallrisiko ab. Denn bezahlt wird die Ware erst nach der physischen Lieferung. Geht nun etwa der Einkäufer insolvent, bleibt der Verkäufer auf der Energiemenge sitzen. Wenn der Verkäufer insolvent geht, bekommt der Einkäufer nicht die Strom- oder Gasmenge, auf die er sich verlassen hat.
Beim Börsenhandel übernimmt die Börse dieses Ausfallrisiko. Die Börse garantiert jedem, der dort handelt, dass das Geschäft genauso wie vereinbart stattfinden wird, auch bei einem Handelspartnerausfall. Das macht sie jedoch nicht kostenlos. Sie lässt sich dieses Risiko von den Marktteilnehmern durch Sicherheiten erstatten. Eine Clearingbank, die jeder Marktteilnehmer haben muss, wickelt die Geschäfte für die Börse ab.
Wer bezahlt Sicherheiten an wen?
Bei Abschluss des Vertrags hinterlegen sowohl Käufer als auch Verkäufer eine Sicherheit. Beim Börsenhandel sind die Sicherheiten bei der jeweiligen Clearingbank zu hinterlegen. Im OTC-Handel regeln das Unternehmen untereinander. Käufer sind klassischerweise Stadtwerke oder unabhängige Energievertriebe. Energieerzeuger verkaufen Strom, Vorlieferanten wie Uniper oder Sefe verkaufen Gas.
Wann müssen die Sicherheiten bezahlt werden?
Im Terminhandel wird zwischen zwei unterschiedlichen Formen von Sicherheiten unterschieden. Direkt bei Abschluss des Vertrags gibt es die sogenannte Initial Margin. Dabei bleibt es jedoch nicht. Angenommen zwei Händler haben sich Anfang 2022 auf die Lieferung von Strom für 2023 zum Preis von 200 Euro/MWh geeinigt und die Preise verändern sich, schwankt dementsprechend das Risiko. Steigt der Preis, wie im Sommer, auf 800 Euro/MWh und der Verkäufer würde insolvent gehen, könnte der Einkäufer die MWh nicht mehr für 200 Euro, sondern nur deutlich teurer von einem anderen Lieferanten bekommen.
Damit der Einkäufer sich auf Strom zum günstigen Preis verlassen kann, hinterlegt der Verkäufer mehr Sicherheiten. An der Börse muss er das täglich und so lange machen, bis das Lieferdatum erreicht ist. Daraus folgt: Bei steigenden Preisen treffen die Margin Calls die Verkäufer.
Im umgekehrten Beispiel, wenn die Preise fallen, müssen die Einkäufer nachschießen. Haben die beiden Handelspartner einen Vertrag bei 800 Euro/MWh geschlossen und einige Zeit später kostet Strom nur noch 100 Euro/MWh, trägt der Verkäufer ein großes Ausfallrisiko, das der Einkäufer durch Zahlung von Sicherheiten absichern muss. Im OTC-Handel müssen Kunden weitere Sicherheiten hinterlegen, wenn ein individuell festgelegtes Handelslimit erreicht ist.
Wie hoch sind die Sicherheiten?
Die Höhe der Sicherheiten variiert nach der Art des Handelsgeschäfts. An der Börse schreiben Regeln die Parameter für die Berechnung fest. Mitunter ist die Initial Margin im Terminhandel so hoch wie das Handelsgeschäft selbst. Die täglich auszugleichende Variation Margin schwankt mit der Differenz zum abgemachten Preis. Im OTC-Handel gibt es individuelle Absprachen zwischen den Handelspartnern. Lieferanten haben dafür interne und geprüfte Risikorichtlinien. Generell sind die Sicherheiten im OTC-Handel deutlich niedriger als an der Börse.
In welcher Form sind Sicherheiten zu zahlen?
Sicherheiten können entweder Barzahlungen oder Bürgschaften sein. Bürgschaften stellen Banken oder Gesellschafter, wie ein Mutterkonzern oder die Stadt. Darüber hinaus könnte auch ein Bundesland oder der Bund selbst eine Bürgschaft stellen.
Welche politischen Instrumente gibt es bisher?
Die Bundesregierung hat 2022 das sogenannte Margining-Programm ins Leben gerufen. Mit KFW-Bürgschaften stützt sie Unternehmen, die über die Börse Energie verkauft haben. Über die bisherigen Richtlinien sind Einkäufer von Energie und OTC-Handelsgeschäfte ausgeschlossen. /kj