Wien (energate) - Laut einem Gutachten hatte die Unternehmensstrategie der Wien Energie im Jahr 2022 negative Auswirkungen auf die StromkundInnen. So fanden Strompreiserhöhungen frühzeitiger und stärker statt als etwa bei der Salzburg AG, heißt es in einem Gutachten im Auftrag des Beratungsunternehmens Finanzombudsteam. Der kritisierte Energieversorger widerspricht hingegen und kündigt rechtliche Schritte gegen das Gutachten an.
Laut Gutachten des zertifizierten Sachverständigen für Börsen- und Bankenwesen Oliver Lintner hat Wien Energie im Jahr 2022 noch nicht produzierte Strommengen auf Basis von Termingeschäften verkauft, was ein hohes Risiko hinsichtlich der Sicherheitsleistungen bedeutete. Diese hohen Short-Positionen von zukünftig zu lieferndem Strom lassen laut Gutachten vermuten, dass primär die Absicherung von Deckungsbeiträgen beziehungsweise die Fixierung zukünftiger Gewinne im Fokus der Geschäftsaktivitäten standen. Im Gegensatz dazu seien bei der Salzburg AG Absicherungsgeschäfte im Interesse der StromkundInnen getätigt worden, heißt es in dem Gutachten.
Preisunterschiede im Jahr 2022
Für die überwiegende Zeit des Jahres lagen die Preise für Strom in Wien demnach über jenen in Salzburg. Wien Energie habe Preissteigerungen zudem schneller und stärker weitergegeben als die Salzburg AG, heißt es in dem Gutachten. So lag der Unterschied für Neuabschlüsse Anfang 2022 bei 19,62 Cent/kWh und damit in Wien um fast das Vierfache höher als in Salzburg. Da beide Versorger im Laufe des Jahres Preisanhebungen vornahmen, sank die Differenz der Nettostromkosten im zweiten Quartal 2022 auf rund das Dreifache. Der Gutachter nutzte für seine Analyse öffentlich zugängliche Informationen aus dem Firmenbuch, den Websites und den Geschäftsberichten der Unternehmen sowie von der Strombörse EEX.
Wien Energie spricht von "Falschinformationen"
In einer ersten Reaktion wies Wien Energie den Vergleich zur Strompreisgestaltung als falsch und irreführend zurück. In dem Dokument würden Zusammenhänge hergestellt, die es faktisch nicht gebe. Zudem seien die Informationen verkürzt und unvollständig zusammengefügt. Das Gutachten ziehe auf Basis eines unvollständigen Preisvergleichs mit nicht vergleichbaren Tariftypen unzulässige Schlüsse zur Preisstrategie der beiden Unternehmen, erklärte Wien Energie.
Der Versorger führt weiter an, dass er sich den Energiepreisentwicklungen seit Sommer 2021 nicht entziehen konnte und die Steigerungen zumindest teilweise auch an die KundInnen weitergeben musste. In der Zeit von Sommer bis Herbst 2022 sei Wien Energie dennoch der günstigste Strom- und Gasanbieter in der Hauptstadt und auch im landesweiten Vergleich unter den günstigsten Anbietern gewesen. Wien Energie prüfe daher rechtliche Schritte gegen das Gutachten. /af